2,60-1,30-0,60: Die letzte Ruhestätte in Übergröße

Gräber-XXL Beerdigung in Übergröße

560 Kilo. So viel wog der Mexikaner Manuel Uribe, einst schwerster Mensch der Welt, der durch sein massives Übergewicht weltberühmt geworden ist. Als er 2014 im Alter von 48 Jahren verstarb, zeigten Bilder die Ausmaße, die sein Sarg annehmen würde. Für stark übergewichtige Menschen wie ihn ist es auf herkömmlichen Friedhöfen schwierig, eine geeignete Grabstätte zu finden. In Rio de Janeiro gibt es deshalb seit 2015 Gräber in Übergröße. Und auch in Deutschland passen sich Bestatter an.

Gräber in XXL waren bislang eine Marktlücke

Rund die Hälfte der Brasilianer ist übergewichtig, dennoch sind die Gräber in dem Land normiert und für fettleibige Menschen zu klein. Alberto Júnior Brenner erkannte die Marktlücke und bietet auf seinem Penitência-Friedhof seither Gräber in Übergröße an. Ausschlaggebend für seine Idee war ein Klient, dessen verstorbene Mutter – anders als in Europa normal – nicht im Erdreich beerdigt werden wollte. Die üblichen gemauerten Gruben eignen sich jedoch nicht für Särge in XXL.

Mit der Idee, seinen Friedhof an die gesellschaftlichen Veränderungen anzupassen, sorgte Brenner vor einigen Jahren für Aufsehen. Auch stark übergewichtigen Menschen pietätvoll eine letzte Ruhestätte bieten zu können, sei für den Friedhofsdirektor wichtig. In Medienberichten berichtete er von der rührenden Reaktion des Klienten, als er ihm ein extrabreites Grab für dessen verstorbene Mutter angeboten habe. Er „war der so dankbar, dass ihm vor Erleichterung die Tränen kamen“, schilderte Brenner. Billig ist die letzte Ruhestätte in Plus Size allerdings nicht. Umgerechnet rund 21.000 Euro müssen Hinterbliebene zahlen.

In Deutschland nehmen Beerdigungen in Plus Size zu

Dieser Trend scheint auch in Deutschland inzwischen angekommen sein. Laut Robert Koch-Institut (RKI) sind zwei Drittel der Männer und rund die Hälfte der Frauen übergewichtig. Ein Viertel unter ihnen ist sogar stark übergewichtig. Besonders diese Gruppe wächst. Für sie kommt im Todesfall daher ein unerwartetes Problem zu: Der Sarg wie auch das Erdloch und der Ofen im Krematorium müssen entsprechend groß sein. Jörg Freudensprung vom Bestatterverband Bayern schilderte 2018 der Rheinischen Post gegenüber, wie sich die Klienten in den vergangenen Jahre verändert haben. “Man merkt, dass die Leute vom Gewicht etwas zulegen.” Früher seien bei rund 400 Beerdigungen nur alle zwei Jahre Beerdigungen in Plus Size notwendig. Nun habe er drei solcher Fälle pro Jahr.

Auch bundesweit zeichnet sich inzwischen ein ähnliches Bild, wie Stephan Neuser vom Bundesverband Deutscher Bestatter bestätigt. Rund 3200 Unternehmen sind darin organisiert. In der Regel seien Bestatter inzwischen auf sehr übergewichtige Kunden eingestellt, sagt er. Aber nicht nur in diesem Bereich weichen Beerdigungen vom bisherigen Standard ab. “Alle gesellschaftlichen Trends spiegeln sich früher oder später auch in der Bestattungskultur wider.” Zunehmende Digitalisierung, Individualisierung, Nomadisierung – all jene Menschen wünschen irgendwann bei ihrer Beerdigung ihren Lebenswandel widerzuspiegeln.

Schwierigkeiten bei einer XXL-Beerdigung

Im Falle eines stark übergewichtigen Kunden fängt die Besonderheit schon beim Transport des Leichnams an: Der Transportwagen benötigt eine entsprechende Größe. Und auch der Transport am Friedhof muss vorweg organisiert werden. Die nächste Hürde zeigt sich in Form des Sargs in XXL. Denn: “Gleich welche Bestattungsart gewünscht ist, der Verstorbene benötigt einen Sarg”, erklärt Neuser vom Bundesverband Deutscher Bestatter. Das Standardmodell mit etwa zwei Metern Länge und 65 Zentimetern Breite reicht oftmals nicht aus. Bis zu 1,20 Meter breite Särge seien notwendig. “Ab einem gewissen Maß muss es die Sonderanfertigung sein – und die ist leicht drei bis vier Mal so teuer wie ein Serienprodukt”, sagte Freudensprung gegenüber der Rheinischen Post. 5000 Euro kann ein Modell kosten. Schließlich muss das Holz entsprechend bruchfest und stabil sein, damit der Leichnam nicht durch den Boden bricht.

Wünscht der Verstorbene allerdings eine Feuerbestattung, müssen die Hinterbliebenen dies mit den Krematorien absprechen. Laut Freudensprung gab es bis vor wenigen Jahren nur sehr wenige Einrichtungen, deren Öfen die notwendige Breite aufweisen und so ein hohes Gewicht aushalten. Das hat sich nach Einschätzung von Neuser inzwischen geändert. Immer mehr Unternehmen rüsteten ihre Anlagen entsprechend dem gesellschaftlichen Wandel auf. Als finale Herausforderung zeigt sich dann die letzte Ruhestätte an sich. Denn auch diese muss angepasst werden: Die Erdlöcher müssen deutlich größer sein und extra Schalungen erhalten, damit sie nicht einstürzen.

Die letzte Ruhe würdevoll begehen

Ebenso verstärkt der Bestatter die Sargträger von regulär vier auf sechs Mann. Nicht zuletzt ist es schließlich eine Frage der Pietät, einen übergewichtigen Verstorbenen kontrolliert und sicher ins Grab abzulassen und nicht mit letzter Kraft hinabzuwerfen. Im äußersten Fall übernimmt ein Kran diese Arbeit, sagte Bestatter Freudensprung und schilderte die Beerdigung einer 280 Kilogramm schweren Frau. “Ihr Sarg wurde mit einem Kranwagen ins Grab gehoben, bevor die Feier anfing.”

Solche Umstände kosten entsprechend. Allerdings entscheidet jede Stadt individuell, welche Zusatzgebühren anfallen.

Titelbild: © Cristina Conti/stockAdobe.com