Aktive Sterbehilfe oder Suizidbeihilfe: Worin liegt der Unterschied?

Sterbehilfe

Eine alte Pflegeweisheit sagt: Es gibt kein unwürdiges Leben, sondern nur unwürdige Lebensumstände. Die Debatte um Sterbehilfe ist weltweit seit Jahren ein emotionales Thema. 2015 hatte der Bundestag Ärzten verboten „Suizidbeihilfe“ zu leisten. Anfang 2020 hat das Bundesverfassungsgericht dies für verfassungswidrig erklärt. Welche Argumente machen Sterbehilfe für Betroffene moralisch vertretbar und wo liegt der Unterschied von aktiver Sterbehilfe zur Suizidbeihilfe?

Definition Sterbehilfe: Hilfe zum oder am Sterben?

Mit Sterbehilfe können verschiedene Sachverhalte gemeint sein. Dabei ist die Sterbehilfe laut dem Deutschen Referenzzentrum für Ethik in den Biowissenschaften mehr als Oberbegriff für zwei Kategorien zu sehen: „Hilfe im Sterben“ bedeutet dabei, Sterbende allein durch Pflege, schmerzlindernde Behandlungen und menschliche Zugang zu unterstützen. Die Hilfe im Sterben ist unumstritten.

„Hilfe zum Sterben“ dagegen meint das Töten eines sterbenden, schwer kranken oder leidenden Menschen aufgrund seines (mutmaßlich) eigenen, ausdrücklichen Verlangens oder Interesses. Das kann entweder aktiv, zum Beispiel mit Hilfe von Medikamenten oder passiv durch das Einstellen lebenserhaltender Maßnahmen geschehen. Darunter zählt auch der so genannte „assistierte Suizid“, bei welchem ein Dritter Mittel zum Selbstmord bereitstellt oder beschafft.

§ 217 StGB: Recht auf selbstbestimmtes Sterben

Im Jahr 2015 hatte der Bundestag den Paragrafen 217 des Strafgesetzbuches (StGB) beschlossen. Seitdem wurde die „geschäftsmäßige“ Suizidbeihilfe unter Strafe gestellt. Über hundert Jahre lang zuvor war die Beihilfe straffrei. Im besagten Paragrafen heißt es: „Wer in der Absicht, die Selbsttötung eines anderen zu fördern, diesem hierzu geschäftsmäßig die Gelegenheit gewährt, verschafft oder vermittelt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.” Er sollte dazu dienen, Geschäfte professioneller Sterbehelfer zu unterbinden.

Gegen das Gesetz sind zahlreiche Verfassungsbeschwerden verschiedener Seiten eingegangen. Vereine und Ärzte sahen sich in ihrer Berufs-, Vereins-, und Gewissensfreiheit verletzt, Schwerkranke dagegen in ihrem Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG) und der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG). Nun hat das Bundesverfassungsgericht Anfang 2020 entschieden:

Das 2015 eingeführte Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe verstoße laut Präsident des Bundesverfassungsgerichts Andreas Voßkuhle gegen das Grundgesetz.

Es gebe ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben, sagte er bei der Urteilsverkündung in Karlsruhe. Wenn zum Beispiel ein Angehöriger einem Sterbewilligen ein tödliches Medikament reicht, und dieser nimmt es selbst ein, ist das nun nicht mehr strafbar.

Pro & Contra: Argumente der aktiven Sterbehilfe

Das für und wider der aktiven Sterbehilfe wird seit jeher kontrovers diskutiert – insbesondere die Frage der Ethik erhitzt die Gemüter. So gibt es ethische Argumente für und gegen die aktive Sterbehilfe.
Befürworter argumentieren meist, dass eine Tötung auf Verlangen unerträgliches Leiden verkürzen kann. Sterbewillige empfinden ihr Leben dann meist nicht mehr lebenswert und menschenunwürdig. Zudem argumentieren sie mit dem Selbstbestimmungsrecht, also dem eigenen Recht, bestimmen zu können, ob man weiterleben möchte oder nicht.

Gegen die Legalisierung der aktiven Sterbehilfe sprechen oft religiöse-, ethische-, oder missbräuchliche Gründe. So können Interessenskonflikte entstehen, wenn die Pflege schwerstkranker Menschen für Angehörige eine hohe Belastung darstellt. Zahlreiche Ärzte und Seelsorger haben auch schon die Erfahrung gemacht, dass Überlebende eines Selbstmordversuchs ihre Entscheidung bereuen, da sie eine psychische Krankheit hatten und im Nachgang behandelt wurden.

Die Mehrheit der Deutschen will Sterbehilfe

Aufgrund der Gesetzesänderung 2015 führte das Institut für Demoskopie Allensbach eine Umfrage durch, in der Befragte abstimmten, ob sie für oder gegen die aktive Sterbehilfe seien. Die Umfrage beinhaltete überraschende Ergebnisse:

Ganze 63 Prozent antworteten, sie seien für die aktive Sterbehilfe.

22 Prozent dagegen konnten sich nicht entscheiden und waren unentschlossen und nur 15 Prozent stimmten dagegen. Das Fazit: “Die Zustimmung zur aktiven Sterbehilfe geht quer durch alle Bevölkerungsschichten, weitgehend unabhängig von Geschlecht, Alter, Bildung oder Konfessionszugehörigkeit.”

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