Grabsteininschriften im Wandel der Zeit: Von Pompeji ins Internet

Antike Grabsteine Via Appia

Bereits seit Tausenden von Jahren errichten verschiedenste Kulturen Grabsteine. Die Gründe dafür sind vielfältig – häufig sollen sie jedoch dafür sorgen, dass die Lebenden ihre Angehörigen nicht vergessen. Wir werfen einen Blick auf Grabsteininschriften im Wandel der Zeit.

Antike Grabsteine

Wie alt das Konzept Grabstein ist, lässt sich nicht eindeutig festlegen. Funde von alten Grabplatten, förmlich abgeschliffen von Wind und Wetter, zeigen jedoch, dass überall in Europa schon seit Jahrtausenden Gräber mit steinernen Monumenten versehen werden. Noch vergleichsweise gut erhaltene Exemplare lassen sich etwa in Italien finden. Zum Beispiel in den Gräberstraßen in Pompeji oder der Via Appia bei Rom. Antike Grabsteine und die dazu gehörigen Gräber waren billiger, je weiter sie von einer Stadt entfernt lagen. Schon damals spielte das Gedenken an die Toten eine wichtige Rolle – wer antike Grabsteine sah, sollte wissen, wer sich darunter verbarg. Das zeigt etwa der Batimodus-Grabstein aus Xanten (etwa 400 nach Christus), auf dem in lateinischen Lettern die Inschrift “In Frieden ist hier aufgenommen Batimodus, der fünfzig Jahre lang gelebt hat und von hinnen gegangen ist” trägt. Mymoria zufolge entwickelte sich bei christlichen Gräbern im Laufe der Zeit der Brauch, auch Reliefs der Verstorbenen auf Grabplatten zu meißeln. 

Memento Mori im Mittelalter

Diese Gebräuche variieren stark, je nachdem, welchen sozialen Stand der Verstorbene innehatte oder welcher Religion er angehörte. Ein Beispiel dafür liefern in Mainz gefundene jüdische Grabsteine aus dem 14. Jahrhundert, auf denen stets das Jahr des Todes verzeichnet war, Reliefs fehlen hier jedoch. Diese finden sich dafür auf christlichen Grabsteinen wie denen im schottischen Kirkmichael auf der Black Isle. Myhighlands zufolge zierten oftmals Schwerter, die sogenannte Fleur-de-lis (ein Liliensymbol, meist gebraucht im Zusammenhang mit der französischen Monarchie oder katholischen Heiligen), Äste, Treppenstufen und Kreuze die dort gefundenen Grabsteine. Auch lässt sich dort recht einfach die Periode der Reformation erkennen. Grabsteine, die um 1560 geschlagen wurden, zeigen demnach häufig Schädel, Skelette, Knochen und andere, ähnlich düstere, Symbolik. Die Kirkmichael-Kirche bietet tatsächlich eine kleine Reise durch die Zeit.

Sprechende Steine

Zwischen dem 17. und 19. Jahrhundert dann zeigten Grabplatten häufig Poesie, anstatt lediglich zu dokumentieren. Unter anderem fangen die Grabsteine auf der Nordseeinsel Amrum die Periode der sogenannten “Sprechenden Steine” ein. Diese legen ein Zeugnis des Lebens eines Verstorbenen ab, mitunter mit Bibelzitaten, häufig durch selbstverfasste Gedichte. Der Kapitän Oluf Jensen aus Südorf schrieb die folgenden Zeilen: 

“Mein Leben war ein Wechsel von Freud und Hertzeleid.

Mein Glücke blühte schon in meiner Jugendzeit.

Drauf hemte eine trübe Wolcke des Glückes heitern Schein.

Der Himmel lies mich eine Weile betrübt und traurich sein.”

Wer jedoch eine größere Grabplatte mit einem vergleichsweise langen Text in Auftrag geben wollte, musste über die entsprechenden Mittel verfügen. Schon ein einzelner Buchstabe konnte fast ein Drittel des Jahresgehalts eines einfach lebenden Mannes verschlingen.

“Ich liege hier nur nachts”

Im 20. Jahrhundert dagegen zeigte sich erstmals Humor auf Grabsteinen oder -kreuzen. Einige Beispiele aus dem Alpenraum haben wir hier im DELA Magazin zusammengefasst. Auch wenn es eine Randerscheinung bleibt – einige Menschen wollen ihre Liebsten am Grabstein noch einmal zum Lachen bringen. Sogar heute finden sich hin und wieder skurrile Grabinschriften wie “Damn, it’s dark down here”, “Ich liege hier nur nachts” oder ein knappes “Besetzt!” auf Friedhöfen in Europa oder in den Vereinigten Staaten. 

QR-Codes auf dem Friedhof

Im digitalen Zeitalter wiederum finden sich zum ersten Mal Schnittstellen zwischen Friedhof und World Wide Web. Vor allem bei jungen Verstorbenen prangen zuweilen sogenannte QR-Codes auf dem Grabstein. Dabei handelt es sich um jeweils einzigartige Codes aus verschieden angeordneten Blöcken, die per Smartphone auf bestimmte Internetseiten oder Apps führen. Ein Trend, der aus dem technologisch versierten Asien in die westliche Kultur übergeschwappt ist. Die Gräber des 21. Jahrhunderts zeichnen sich zudem durch einen wachsenden Individualismus aus. Designer-Grabsteine prägen den Friedhof der Zukunft. 

Eines bleibt jedoch gleich, so sehr die Jahrtausende auch neue Trends auf die Friedhöfe bringen: Ein Grabstein drückt stets aus, wer unter ihm liegt, und fungiert für alle Ewigkeit als steinernes Gedächtnis.

Titelbild: @Alex/stock.adobe.com