Bergführerin Nina Schlesener über: Den Beruf Bergführer

Schlesener Nina
Schlesener Nina

Der Verband Deutscher Berg- und Skiführer zählt mit rund 700 Bergführerinnen und Bergführern sowie weiteren außerordentlichen Mitgliedern zu den größten weltweit. Doch was macht einen guten Bergführer aus? Und welche Kunden betreut er im alpinen Gelände? Expertin Nina Schlesener gibt uns auch im zweiten Teil des Interviews Einsicht in das Berufsbild.

Redaktion: Wie lange geht eine Tour in der Regel?

Nina Schlesener: Unsere klassische Tour in Berchtesgaden ist die Watzmannüberschreitung. Das ist eine sehr lange Gradwanderung. Der Anstieg sind 2.000 Höhenmeter. Die Wegstecke liegt bei 20 Kilometern. Diese Distanz unterschätzen die Kunden oft. Aber 20 Kilometer im Alltag über den Tag verteilt sind anders als 10 Kilometer davon im ausgesetzten Gelände. Und das über zehn bis dreizehn Stunden. Hinzu kommen Hitze, ein schwerer Rucksack oder zu wenig Flüssigkeit. Faktoren, die sich negativ auf die Belastbarkeit und Motivation auswirken. Wir müssen die Gäste in dieser Zeit stabil halten, damit sie die Tour aus eigener Kraft schaffen.

Redaktion: Gibt es vorab bereits entsprechende Instruktionen? Beispielsweise eine Packliste?

Nina Schlesener: Ja. Den Rucksack schauen wir uns vorher an. Er darf nicht zu schwer sein, es muss jedoch eine Mindestanzahl an Flüssigkeit dabei sein. Erst am Ende können Trinkflaschen wieder aufgefüllt werden. Dehydration ist für die Kunden einer der größten Demotivatoren. Sie sind es durch die komfortable Infrastrukturen in der Stadt nicht gewohnt, über längere Zeit nichts zu trinken. Wir als Bergführer hingegen schon.

Es gehört zum Alltag, trotz großer Anstrengung stundenlang nichts zu essen oder zu trinken.

Die Herausforderung zeigt sich oft schon in den Hütten. Die Illusion der Bergidylle aus dem Film zerbricht schnell in Gemeinschaftswaschräumen und Matratzenlagern. Das stresst viele schon, bevor die Tour überhaupt anfängt.

Redaktion: Wer sind Deine Kunden?

Nina Schlesener: Das ist kunterbunt. Allerdings sind es tendenziell Besserverdiener. Unser Tagessatz ist verglichen zu manch anderem Beruf nicht hoch, dennoch sind es Kosten, die man sich leisten muss. Dadurch sind es aber oft sehr interessante Menschen, die aus den unterschiedlichsten Jobs kommen. Ich gehe auch mit vielen weiblichen Gästen Touren.

Zudem gibt es in der Gruppengrößen die ganze Bandbreite. Von Einzelpersonen über Paare bis hin zu größeren Gruppen ist alles dabei. Es ist immer eine bereichernde Erfahrung.

Redaktion: Wie sieht das Preismodell eines Bergführers aus?

Nina Schlesener: Ich habe eine Homepage und bin auch auf den sozialen Medien vertreten. Zudem kommen Anfragen über den Verband. Die Tagessätze liegen bei uns zwischen 450 und 500 Euro. Anspruchsvollere Touren, beispielsweise das Matterhorn oder der Watzmann, oder Touren mit größeren Gruppen sind individuell teurer.

Redaktion: Und wie sieht das Jahr eines Bergführers aus?
Bergführerin Nina Schlesener
Bergführerin Nina Schlesener

Nina Schlesener: Die Wintersaison startet bei mir zu den Weihnachtsferien, Ende Dezember, und geht bis ungefähr Mitte April. Bis Mitte Mai ist off Season, wobei ich in dieser Zeit oft Kletterreisen, beispielsweise nach Griechenland unternehme.

Mitte Juni starten die klassischen Führungen bis Ende September. Abhängig vom Schnee. Im Oktober gibt es wieder Klettertouren, demnach ist mein privater Urlaubsmonat im November.

Redaktion: Wie finden Kunden einen Bergführer? Entwickelt sich daraus in der Regel eine Stammkundschaft?

Nina Schlesener: Absolut! Ich habe sehr viele Kunden, mit denen ich jedes Jahr wieder auf Tour gehe. Ich habe Gäste, die quasi ihre ganze Freizeit kletternd mit mir verbringen.

Redaktion: Haben diese Kunden dann schon Vorkenntnisse? Welches Können müssen sie mitbringen?

Nina Schlesener: Meine langjährigen Privatkunden haben natürlich durch unsere regelmäßigen Touren Vorkenntnisse. Ich habe aber beispielsweise auch eine Frauengruppe, die nur wandert. Die Teilnehmerinnen kommen jedes Jahr wieder, immer mit neuen Frauen, die dann keine Vorkenntnisse haben. Hier ist es entscheidend, das Mittelmaß zu finden. Während manche Gäste einen höheren Anspruch haben, muss bei der größeren Gruppe jeder mithalten können. Der Fokus liegt dann auf dem Gruppengefühl.

Redaktion: Welche brenzlige Situation hast Du selbst erlebt? Und wie bist Du damit umgegangen?

Nina Schlesener: Wir hatten mal einen Lawinenunfall in den französischen Seealpen. Der Kunde war zwar komplett verschüttet, wurde von uns aber glücklicherweise schnell geborgen. Er hatte keine Verletzungen, nur einen Schock. Man muss dazu sagen: Es war keine klassische Lawine, sondern ein Schneerutsch. Herbeigeführt wurde er, weil sich der Kunde nicht ganz an unsere Anweisung gehalten hat und falsch gefahren ist. Dadurch sind hier auch wir an unsere Grenzen gestoßen.

Auch das Wetter ist ein Faktor. Oft ist man in der Gruppe langsamer als geplant. Während der Gast noch vor sich hinschlendert muss ich dann darauf hinweisen, dass ein Gewitter aufzieht und es jetzt im Laufschritt zur Hütte geht. Das sind Situationen, die man nicht vorab in der Hand hat.

Titelbild: © Nina Schlesener