EuGH regelt Arbeitszeiterfassung neu: Arbeitgeber unter Zugzwang?

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Stechuhr, Fußfesseln, ein Rückschritt in die Sechziger? Ein neues Urteil des Europäischen Gerichtshofs bezüglich der Arbeitszeiterfassung löst nicht nur in der Medienlandschaft einen Aufruhr aus, sondern auch bei Gewerkschaften und Arbeitgebern. Allerdings scheint niemand so recht zu wissen, was nun wirklich passiert. Darum schaltet sich nun auch Bundeswirtschaftsminister Altmaier (CDU) ein. Was bedeutet das Urteil für Arbeitgeber, also auch für Makler mit eigenen Mitarbeitern?

Ein Urteilsspruch und seine Folgen

Im Grunde legt das Urteil fest, dass Arbeitgeber die Arbeitszeiten aller Angestellten erfassen müssen. Diese Maßnahme soll Mitarbeiter vor Überlastung und Ausbeutung schützen. Auslöser dafür war ein Rechtsstreit zwischen der spanischen Gewerkschaft Federación de Servicios de Comisiones Obreras (CCOO) und einem Ableger der Deutschen Bank.

„Die Mitgliedstaaten müssen die Arbeitgeber verpflichten, ein System einzurichten, mit dem die tägliche Arbeitszeit gemessen werden kann.“ – Aus dem Urteilsspruch in der Rechtssache C-55/18 des Gerichtshofes der Europäischen Union

Warum soll die Arbeitszeitszeiterfassung neu geregelt werden?

Notwendig ist der Urteilsspruch in den Augen der Fürsprecher hierzulande aufgrund der enormen Anzahl unbezahlter Überstunden, die deutsche Arbeitnehmer ableisten. Dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung zufolge steigt die Anzahl der unbezahlten Überstunden seit mehreren Jahren wieder an. Zu einem ähnlichen Schluss kommt die Automatic Data Processing, Inc. (ADP). 71 Prozent der Befragten gaben an, regelmäßig unbezahlte Überstunden zu machen. Mehr als ein Drittel (33,6 Prozent) der Deutschen macht demzufolge wöchentlich etwa 16 bis 20 Überstunden.

Infografik: Deutsche machen wieder mehr Überstunden | Statista
Quelle: Statista

Rückschritt mit Volldampf

Gleichzeitig ist jedoch ein Trend zu mehr Flexibilität im deutschen Arbeitsmarkt zu sehen. Neue Ansätze wie zum Beispiel das Home Office werden beliebter. Immer mehr greifen Arbeitsleben und Privatleben ineinander über. Kritiker des EuGH-Urteils bemängeln, dass eine „Überwachung“ der Arbeitnehmer eine Regression darstelle, eine Abkehr von der bereits gewonnenen Flexibilität. Außerdem steht laut Focus die Sorge vor der Entstehung eines neuen Bürokratiemonsters im Raum. Ist das Modell „Vertrauensarbeitszeit“, auf das mittlerweile so viele Arbeitnehmer und -geber setzen, bereits Geschichte?

Lösungen für die Arbeitszeiterfassung

Fürs Erste können Arbeitgeber jedoch aufatmen. Denn das Urteil bedeutet keinesfalls eine zwingende Rückkehr zur altbekannten Stechuhr. Das Gericht hat nämlich auch festgelegt, dass es an den Nationalstaaten selbst liegt, wie genau sie ein neues Gesetz zur Arbeitszeiterfassung formulieren wollen. Zum Beispiel kann die Erfassung der Arbeitszeit auch mittels einer App oder sonstigen Systemen funktionieren. Die Welt zeigt in diesem Zusammenhang jedoch Schwierigkeiten mit amerikanischen Apps auf: Denn diese speichern ihre Daten auf Servern im Ausland. Meistens genügen die Apps den europäischen Datenschutzanforderungen nicht. Hier müssen Makler dementsprechend vorsichtig sein. Datenschutzbeauftragter-Info rät dazu, die Zugriffsrechte eingesetzter Technik, die Funktionalitäten und den Zweck zu definieren. Und den Datenschutzbeauftragten zur Rate zu ziehen.

„Es obliegt den Mitgliedstaaten, die konkreten Modalitäten (…) zu bestimmen und dabei gegebenenfalls den Besonderheiten des jeweiligen Tätigkeitsbereichs oder Eigenheiten, sogar der Größe, bestimmter Unternehmen Rechnung zu tragen.“ – Aus dem Urteilsspruch

Wie müssen Arbeitgeber auf die Arbeitszeiterfassung reagieren?

Laut Arbeitsrecht-Weltweit ist derzeit unklar, ob überhaupt schneller Handlungsbedarf besteht. Immerhin verlange §16 des Arbeitszeitgesetzes bereits eine Verpflichtung zur Erfassung von Überstunden. Das Bundeswirtschaftsministerium unter Peter Altmaier ist mittlerweile zu demselben Schluss gekommen. Laut dem Spiegel sieht das Ministerium einen gewissen Auslegungsspielraum. Außerdem sei keine Frist bekannt, innerhalb derer Mitgliedstaaten aktiv werden müssten. Für den Makler bedeutet das: Er kann entweder abwarten, bis der deutsche Gesetzgeber die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung vollständig ausgestaltet hat, oder bereits jetzt erste Schritte unternehmen. Zum Beispiel ein Zeiterfassungssystem per App in sein Unternehmen integrieren. Ein Zwang ist dies jedoch noch nicht.

Titelbild: © Jacob Lund / Fotolia.com