Wir schreiben das Jahr 1999. Schauspieler Brendan Fraser erobert die Herzen der Kinozuschauer als Grabjäger in der Neuauflage des Filmklassikers „Die Mumie“. Spätestens zu diesem Zeitpunkt sind die Mumien des alten Ägypten endgültig in aller Munde. Und auch der Totenkult der Mumifizierung erhält ein Revival im popkulturellen Diskurs.
Mehr als zwanzig Jahre später hat sich viel getan. „Die Mumie“ wurde mit zwei weiteren Fortsetzungen und einer Neuauflage geehrt und die Forschung erhält immer neue Erkenntnisse über den einstigen Bestattungskult. Was steckt hinter der Tradition der Mumifizierung? Welchen Zweck verfolgten die alten Ägypter mit dieser Tradition? Und gibt es den Bestattungskult auch heute noch?
Mumifizierung und Mumifikation
Die Mumifizierung bezeichnet eine künstliche Technik der Konservierung von menschlichen oder tierischen Leichnamen. Dabei können nicht nur ganze Körperteile, sondern auch einzelne Gliedmaßen mumifiziert werden. Erst, wenn der Körper vollständig konserviert ist, sprechen Wissenschaftler von einer Mumie. Wichtig ist zudem, dass die Mumifizierung durch das Eingreifen von anderen Menschen stattfindet. Das heißt, Überlebende versuchen den Verfall des Toten künstlich zu stoppen. Ist das nicht der Fall und ein Leichnam wird durch eine natürliche Begebenheit mumifiziert, wird von einer Mumifikation gesprochen.
Wiedergeburt in der Götterwelt
Um all die Mythen des alten Ägyptens zu erforschen, angefangen bei den Pyramiden über den Totenkult bis hin zur Götterwelt, ist eine eigene Wissenschaft entstanden. Der Ägyptologie ist es zu verdanken, dass heute ein großer Wissensschatz zum alten Ägypten bereit steht. Zum Beispiel fand sie heraus, warum sich die alten Ägypter den Bestattungskult der Mumifizierung etablierten.
So glaubten die alten Ägypter an eine Wiedergeburt in der Götterwelt. Um dort jedoch aufgenommen zu werden, brauchten sie ihre menschliche Hülle. Ohne Körper könne kein Mensch im Jenseits weiterleben. Nach dem irdischen Tod – so dachten sie – verlässt die Seele (auch Ba genannt) den Körper. In alten Zeichnungen wird diese zumeist als Vogel dargestellt. Damit der Ba in den Körper zurückfand und im Jenseits weiterleben konnte, durfte der Körper jedoch nicht verfallen. Die Mumifizierung war also nicht nur ein Bestattungsritus, sondern Teil eines altägyptologischen Totenkults.
70 Tage bis zur Bestattung
Im alten Ägypten dauerte die Zeitspanne vom Tod bis zur Beisetzung traditionell 70 Tage. In dieser Zeit wurde auch die Mumifizierung des Leichnams vorgenommen. Vor der eigentlichen Mumifizierung wuschen Priester den verstorbenen Körper in einer rituellen Zeremonie. Danach entfernten sie durch einen Einschnitt in er linken Körperhälfte alle Organe, zudem das Gehirn über die Nasenöffnung. Alle inneren Organe wurden separat bestattet. Anschließend stopften die Priester den Leichnam mit duftenden Substanzen aus, balsamierten ihn von ihnen und trockneten zuletzt den Körper mithilfe von Natron aus. Erst dann konnte eine letzte Balsamierung und die für Mumien klassische Bandagierung vorgenommen werden.
Mumie ist nicht gleich Mumie
Nicht nur die alten Ägypter konservierten Leichname. Auch viele andere Kulturen in Europa, Südamerika oder Asien nahmen Mumifizierungen in unterschiedlichster Weise vor. Und das bis in die Neuzeit. Berühmte Persönlichkeiten wie Lenin oder der koreanische Staatschef Kim Ir Sen wurden – wenngleich nicht in altägyptologischer Technik – ebenfalls mumifiziert und sind heute noch zu bestaunen. Doch ähnlich wie bei den Ägyptern ist das Recht auf eine Mumifizierung nicht nur Staatsoberhäuptern vorbehalten. Auch einfache Bürger konnten sich mumifizieren lassen – wie die zahlreichen Mumien in der Kapuzinergruft in Palermo bestätigen. Dort sind mehrere Kinder-Mumien erhalten, die Anfang des 20. Jahrhunderts der Spanischen Grippe zum Opfer fielen. Die wohl berühmteste und am besten erhaltene unter ihnen: Rosalia Lombardo.
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Bis heute gibt es in Amerika Institute, die eine dauerhafte Mumifizierung des Leichnams mit Formaldehyd anbieten. Eine solche Bestattungsform ist in Deutschland nicht erlaubt, wenngleich eine übergangsweise Konservierung (Thanatopraxie) – beispielsweise für einen offenen Sarg oder die Überführung ins Ausland – oft praktiziert werden.
Wie genau eine Überführung eines Leichnams ins und aus dem Ausland stattfindet, erfahrt Ihr in diesem Beitrag.
Titelbild: © Valeriysurujiu / stock.adobe.com
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