Ratschläge vom Trauerbegleiter: Wie spreche ich mit meinem Kind über Verluste?

Es ist eine denkbar schwierige Aufgabe für Eltern, dem Nachwuchs zu erklären, wieso das heiß geliebte Haustier nicht mehr da ist. Noch schwieriger ist es, wenn es nicht mehr nur um das Haustier geht. Sondern um Oma und Opa. Oder die Eltern selbst. Denn was verstehen Kinder? Was überfordert sie möglicherweise? Wie können Eltern dieses Thema behutsam mit dem Nachwuchs angehen? Wir sprechen darüber mit Oliver Junker. Einem langjährigen Experten auf dem Gebiet der Trauerbegleitung für Kinder.

Redaktion: Herr Junker, sollte ich das Thema „Tod“ in die Erziehung einbinden?

Oliver Junker: Der Tod ist Teil des Lebenskreislaufes. Deshalb ist es wichtig, dass man den Kindern auch den Tod erklärt, ohne dass man ihnen damit Angst macht. Kinder sind von Natur aus neugierig und wollen die Welt verstehen. Deshalb sind sie auch offen für das Thema Tod, wenn es kindgerecht erklärt wird. Kinder verstehen den Tod in seinem ganzen Umfang erst nach und nach. Man spricht hier allumfassend auch von den sogenannten Todeskonzepten. Aufgeteilt werden diese in vier Stufen: Nonfunktionalität, Irreversibilität, Kausalität und Universalität.

„Kinder brauchen klare und einfache Worte.“

Redaktion: Wie vermittle ich meinem Kind denn, was Tod ist? Gibt es hier Methoden das Thema kindgerecht zu erklären?

Oliver Junker: Idealerweise beginnt man im Kindergartenalter – und nutzt dafür ein geeignetes Kinderbuch. „Was ist das, fragt der Frosch“ ist sehr zu empfehlen. Oder man spricht darüber, wenn ein Haustier gestorben ist. Wichtig ist, dass man immer wieder deutlich macht, dass schlafen und „tot sein“ nicht das Gleiche ist. Man fängt mit den Körperfunktionen an: „Er atmet nicht mehr“, „Sein Herz schlägt nicht mehr“. Selbst wenn man fest an ihm rüttelt oder ihn anschreit, reagiert er nicht. Ab dem Vorschulalter ergänzt man: „Er wird dich auch nie mehr in den Arm nehmen können und nie mehr mit dir spielen können“. „Er ist tot. Und das kann man nicht mehr ändern“.Kinder brauchen klare und einfache Worte.

Redaktion: Sie empfahlen bereits Kinderbücher als Hilfsmittel. Welche Optionen gibt es für ältere Kinder?

Oliver Junker: Kinderbücher können einen guten Einstieg ins Thema geben. Allerdings sollte sehr darauf geachtet werden, dass es für das jeweilige Kind auch geeignet ist. Auch ältere Kinder sind durchaus offen für Kinderbücher, sofern das Thema des Buches auch zu ihrer eigenen Lebensgeschichte passt.

Redaktion: Wie verhalte ich mich als Elternteil, der selbst in naher Zukunft versterben wird?

Oliver Junker: Drei Dinge sind ganz wichtig: Offenheit und Ehrlichkeit dem Kind gegenüber, was die Lebenssituation betrifft. Dann so viel gemeinsame Zeit wie möglich. Und vor allem: Erinnerungen schaffen. Wer dazu in der Lage ist, sollte seinem Kind ein Erinnerungsbuch erstellen. Mit kleinen Geschichten von gemeinsamen Erlebnissen, Fotos, einer Haarlocke und einem Handabdruck. Ein Brief mit persönlichen Worten an das Kind – aber möglichst ohne Forderungen wie beispielsweise „sei brav“, „sei fleißig“, „hilf immer mit“.

„Wenn man ehrlich, authentisch und kindgerecht handelt, dann können die Kinder sehr gut damit umgehen. Wenn man jedoch Dinge umschreibt, verschweigt oder mit „dazu bist du noch zu klein“ abtut, entwickeln Kinder oft keinen unbeschwerten Umgang.“

Redaktion: Vertragen Kinder die Thematik überhaupt schon in sehr jungem Alter?

Oliver Junker: Man sollte Kindern grundsätzlich kein Gespräch aufzwingen. Beim Thema Tod brauchen die Kinder klare Worte und kleine Portionen.“Wenn man ehrlich, authentisch und kindgerecht handelt, dann können die Kinder sehr gut damit umgehen. Wenn man jedoch Dinge umschreibt, verschweigt oder mit „dazu bist du noch zu klein“ abtut, entwickeln Kinder oft keinen unbeschwerten Umgang. Meist reichen wenige Informationen. Dann eine Pause machen und dem Kind Zeit geben. Rückfragen kommen oft zeitversetzt und „aus heiterem Himmel“.

Redaktion: Wie äußert sich Trauer bei Kindern? Zeigt sich diese körperlich oder auch durch Auffälligkeit im Verhalten?

Oliver Junker: Typisch für Kinder ist der Wechsel von Traurigkeit zu Spiel und Spaß sowie umgekehrt. Trauer bei Kindern ist sprunghaft und kommt in Wellen. Nicht in Phasen. In der Akutsituation sind Schlafstörungen, vorübergehendes Einnässen, Ängste und Unsicherheit ganz normal. Jüngere Kinder sind sehr anhänglich, ältere ziehen sich dann oft zurück. Ein vorübergehender Rückgang von Schulleistungen, Konzentrationsprobleme und Wutausbrüche kommen häufig vor.

Redaktion: Sie sprechen Wut als mögliche Trauerreaktion an. Wie gehe ich damit um?

Oliver Junker: Die Wut ist oft Ausdruck der Unfähigkeit, mit der Situation und dem eigenen Gefühls-Chaos umzugehen. Es ist wichtig, den Kindern Möglichkeiten aufzuzeigen, wie sie mit den unterschiedlichen Gefühlen wie Trauer, Angst oder eben Wut umgehen können. Außerdem, wie sie den „inneren Druck“ abbauen können, ohne sich oder andere dabei zu verletzen.

Redaktion: Gibt es besondere Herausforderungen bei trauernden Jugendlichen?

Oliver Junker: Trauernde Jugendliche, die oft mitten in der Pubertät stecken, sind tatsächlich eine große Herausforderung. Sie lehnen oft Nähe und Trost ab, meiden Gespräche und gemeinsame Trauerrituale. Gleichzeitig erleben sie ein intensives Gefühlsdurcheinander und haben oft den Eindruck, die Umwelt würde sie nicht verstehen. Was sie brauchen sind: Geduld, Respekt, Wertschätzung. Das soziale Umfeld, kann oft viel mehr Unterstützung geben. Jugendliche machen viel untereinander aus. Solche hilfreichen Kontakte sollten gefördert und befürwortet werden. Auch wenn die Jugendlichen oft Nähe und Unterstützung ablehnen, so brauchen sie diese doch immer noch. Hier braucht man viel Feingefühl und Nachsicht. Und gleichzeitig immer die Haltung: Ich bin für dich da.

Redaktion: Als Elternteil hat man ohnehin eine Vorbildfunktion. Besteht denn in Sachen Trauer eine „Guideline“? Sollte man stark sein oder besser Emotionen zeigen?

Oliver Junker: Kinder haben meist noch keine Bewältigungsstrategien für solche Lebenssituationen, weshalb sie sich an ihren Vorbildern orientieren. Daher ist es wichtig, gemeinsam mit und auch vor den Kindern zu trauern.Es macht Kindern oft etwas Angst, wenn ein Elternteil vor ihnen weint. Eltern sollten erklären, warum sie weinen und dass es ein wenig hilft. Dann können es die Kinder verstehen.Wichtig ist auch, den Kindern Sicherheit und Stabilität zu vermitteln. Dazu gehören zum Beispiel ein geregelter Tagesablauf, vertraute Menschen, Einschlafrituale, viel Aktivität im Freien und das gemeinsame Erinnern.

„Es macht Kindern oft etwas Angst, wenn ein Elternteil vor ihnen weint. Eltern sollten erklären, warum sie weinen und dass es ein wenig hilft. Dann können es die Kinder verstehen.“

Redaktion: Kinder haben ja bereits durch den Kindergarten oder die Schule ein Umfeld außerhalb der Familie. Ist es wichtig, dieses in den Trauerfall einzuweihen?

Oliver Junker: Ja, die Information ist sehr wichtig, denn nur so kann auf ein möglicherweise verändertes Verhalten der Kinder passend reagiert werden.

Redaktion: Herr Junker, vielen Dank für die wertvollen Ratschläge!

Oliver Junker: Immer wieder gerne!

Leseempfehlungen für Betroffene

Oft fühlen sich Eltern mit der Trauerbewältigung ihrer Kinder überfordert oder trauen sich diese nicht zu. Hierfür empfiehlt sich vorbereitend eine Auswahl an Büchern. Erstellt von Barbara Pustet. Heilpädagogin der Kindertrauerbegleitung Regensburg.

Für Eltern trauernder Kinder und Jugendlicher:
Für immer anders – Mechthild Schroeter-Rupieper
Kinder trauern anders – Gertrud Ennulat
Kinder bei Tod und Trauer begleiten – Kasia Sander, Martina Kroth und Petra Hinderer
Trauernde Jugendliche in der Familie – Stephanie Witt Loers

Kinderbücher (ab sechs Jahre):
Leb wohl lieber Dachs – Susan Varley
Die besten Beerdigungen der Welt – Ulf Nilsson
Und was kommt dann? – Pernilla Stalfeld
Opas Reise zu den Sternen – Anja Kieffer

Erinnerungsbücher für Kinder:
Weil du mir so fehlst – Andreas Klammt und Ayse Bosse
Du bleibst für immer in unserem Herzen – Joachim Groh

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