Trauerfeier in Taiwan: Letzte Wünsche und viel nackte Haut

Taiwan

Jongleure, laute Musik und Stripperinnen, die sich auf den Dächern umgebauter Jeeps an Polestangen räkeln. Nicht gerade das, was sich der Durchschnitt unter einer Beerdigung vorstellt. In Taiwan ist das anders: Leichtbekleidete Stangentänzerinnen sind dort seit Jahren Usus, um die Toten zu feiern. Wie kam es zu der Tradition, und inwieweit toleriert die Gesellschaft den unkonventionellen Brauch tatsächlich?

Stripper auf der Trauerfeier

Zwei tanzende Mädchen feuern das Publikum von einer Bühne aus an, die an Volksfeste bei Nacht erinnert. Blinkende Lichter, Lautsprecher und laute Popmusik vor bunten Kulissen. Die jungen Frauen sind als Schulmädchen kostümiert mit Röcken, die kaum das Nötigste bedecken. Die Szene entstammt nicht etwa einem Ü-18 Nachtlokal, sondern einer taiwanesischen Trauerfeier unter freiem Himmel, vor Frauen, Männern und sogar Kindern. Für die Tänzerinnen selbst ist der Auftritt nichts Ungewöhnliches. Sie kennen die Bestattungen mit derartigen Performances aus eigenen Kindertagen, damals noch als Zuschauer.

Bereits in den 1970er Jahren etablierte sich in Taiwan die Tradition, sogenannte EFC (Electric Flower Car) Tänzerinnen auf Beerdigungen tanzen zu lassen. Entstanden war die ungewöhnliche Idee durch die taiwanesische Mafia. Als Besitzer oder Teilhaber der örtlichen Bestattungsunternehmen etablierte sich die Geschäftsidee, Stripperinnen der eigenen Clubs vergünstigt im „Bestattungspaket“ mit anzubieten. Das Verkaufsargument: Die Tänzerinnen würden nicht nur zusätzliche Trauernde anlocken, sondern auch als Besänftigung der Gottheiten dienen. Heute gelten die Tänzerinnen als letztes Geschenk an die Toten, die zu Lebzeiten eine unbeschwerte Zeit zu schätzen wussten.

Rechtliche Grauzone

Die Bezeichnung Electric Flower Car leitet sich von den mobilen Bühnen ab. Die Tänzerinnen performen auf umgebauten Jeeps, auf deren Dächer Polestangen befestigt sind. Dass die „Stripperbühnen“ mobil sind, hat nicht nur praktische Gründe. Auf der Trauerfeier des Lokalpolitikers Tung Hsiang in Chiayi engagierte die Familie des Verstorbenen laut BBC ganze 50 der Stangentänzerinnen. Der Bruder des Toten, Tung Mao-hsiung erzählte dem taiwanesischen Fernsehen, Tung Hsiang hätte der Familie im Traum mitgeteilt, wie er sich seine Beerdigung vorstelle. In Folge der Umsetzung sorgten neben den bunten Jeeps eine Blaskapelle und riesige Puppen für Verkehrschaos im Zentrum der Stadt.

Chinas Kultusministerium kritisierte den Brauch daraufhin als unzivilisiert und drohte Personen, die Stripperinnen für Beerdigungen engagierten mit strenger Bestrafung. Doch das Geschäft boomt weiterhin. Zwar entkleiden sich die Tänzerinnen nur noch bis zu einem bestimmten Grad, die Auftritte finden dennoch statt. So verhafteten Behörden im Jahr 2006 fünf Tänzerinnen, nachdem Hunderte an einer Bauernbestattung in der östlichen Provinz Jiangsu teilgenommen hatten. Um im Falle eines Polizeieinsatzes schnell zu entkommen, tanzen die Frauen daher auf den Dächern der „Fluchtwägen“. Denn das Geschäft sei einfach zu lukrativ. Denn gute Tänzerinnen können bis zu 2.000 Euro in 20 Minuten verdienen. Die Behörden richteten im Kampf gegen die Unzucht inzwischen eine Hotline ein, über die Zeugen sittenwidrige Beerdigungen melden können.

Religiöse Feiern generell laut und farbenfroh

Die EFC Trucks gibt es auch als Lastwägen und außerhalb von Beerdigungen. Sie fahren wie Schausteller von einer zur nächsten Provinz, um dort an religiösen Prozessionen teilzunehmen. Eine Show, vergleichbar mit dem Karneval in Rio, die sich unter Taiwanesen zur ehrwürdigen Kultur etablierte. Die Praxis interpretiert alte Bräuche neu. Beklagten früher die Frauen lautstark den Verlust eines geliebten Menschen, so schreiten heute Tänzerinnen die Särge ab oder singen für die Verstorbenen.

„Die Menschen feiern das Leben einer Person, um das Gefühl der Trauer zu lindern“, sagt Regisseur Marc Moskowitz.

Den Amerikaner begeisterte das kulturelle Phänomen sogar so sehr, dass er sich entschied, den Brauch in seinem Film „Tanzen für die Toten: Begräbnisstripper in Taiwan“ zu dokumentieren.

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Titelbild: © Fabio Nodari/stock.adobe.com

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