In der dunklen Jahreszeit kommen die „Winter-Blues“, so heißt es. Trotzdem gibt es im Sommer mehr Suizidfälle. Woran liegt das und wie sieht es mit der Übersterblichkeit aus?
Todesfälle im Winter
Wie Daten des Statistischen Bundesamtes zeigen, sterben die meisten Deutschen in der kalten und dunklen Jahreszeit. Ihre absoluten Höchststände erreichen die Sterbezahlen zwischen Dezember und März. Destatis erklärt das damit, dass der menschliche Organismus in diesen Monaten anfälliger für Krankheiten ist; es gibt mehr Infektionskrankheiten, mehr Lungenentzündungen und Herzinfarkte. Auch sei ein psychologischer Effekt nicht auszuschließen. Vor allem ältere Menschen fühlen sich trauriger und einsamer, wenn die dunkle Jahreszeit kommt. Sie verlieren den Lebenswillen, der Körper baut ab.
Corona bringt Übersterblichkeit
Soweit jedenfalls die Zahlen aus Prä-Corona-Zeiten. Kaum brach die Pandemie über Deutschland herein, kam es zu einer geringfügigen Übersterblichkeit – vorerst. Das ging 2020 los; im April und ab der zweiten Oktoberhälfte lagen die Sterbefallzahlen deutlich über dem Mittelwert der vier Vorjahre. Weil die Grippewellen 2020/2021 sowie 2021/2022 größtenteils ausblieben, aber viel mehr Menschen an Folgen einer Covid-Infektion starben, kam es in beiden Zeitfenstern zu einer Übersterblichkeit. Gegen Ende des vergangenen Winters lagen die Sterbezahlen deutlich über dem Vergleichswert. Das berichtete Destatis im Zuge einer Sonderauswertung.
Mysteriöse Todesfälle
Allerdings tauchte im Zuge der Pandemie ein Phänomen auf, das auch jetzt noch nicht ausreichend geklärt ist. Im Jahr 2022 kam es nämlich im Verhältnis zu den Vorjahren zu einer deutlichen Übersterblichkeit – vor allem der Oktober gilt als Ausreißer. Experten zufolge lässt sich diese Entwicklung nicht allein durch Corona und dessen langfristige Auswirkungen erklären. Im Oktober 2022 sind mehr als 90.000 Menschen gestorben, was ein Plus von 19 Prozent gegenüber dem Durchschnitt bedeutet (Daten von Destatis). Gegen Jahresende 2022 lag die Übersterblichkeit bei bis zu 39 Prozent. Das betraf auch die Sommermonate.
Kein Zusammenhang zur Impfung
Doch was ist der Grund dafür? Während eine Bundestagspartei die Impfung ins Rampenlicht schiebt, tappen Wissenschaftler eher im Dunkeln. Jonas Schöley, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Arbeitsbereich Gesundheitszustand der Bevölkerung am Max-Planck-Institut für Demografische Forschung in Rostock, findet, dass vor allem der Sommer schwerer zu erklären sei. „Der Sommer ist mir unklarer als das, was im Oktober passiert“, zitiert die Tagesschau den Experten. Allerdings könnten die gerade in den letzten Jahren verstärkt auftretenden Hitzewellen eine Erklärung liefern. Die Hitze greife die Gesundheit vor allem von älteren Menschen an. Einen Zusammenhang zur Impfung weist der Experte ab.
Sommer-Blues
Ein weiteres Phänomen ist der Mythos vom „Winter-Blues“. Wenn Depressionen im Winter ihren Höhepunkt haben, warum gibt es die meisten Suizide im Sommer? Eine Auswertung des Statistischen Bundesamts zeigt, dass Suizide seit 2011 vorrangig in den warmen Monaten Juni, Juli und August vorkommen. Im Winter gehen sie dagegen eher zurück. Laut der Welt gibt es dafür eine Erklärung: Depressive neigen angeblich dazu, sich vor allem dann mit anderen zu vergleichen, wenn deren gehobene Frühjahrsstimmung ihre eigene noch dunkler aussehen lässt. Zwar hat die Sonne eine antriebssteigernde Wirkung, aber eine Aufhellung der Stimmung trete erst nach zwei Wochen ein. Bis dahin besteht das Risiko, dass Suizidgefährdete ihre Absichten umsetzen.
Das Robert-Koch-Institut (RKI) warnt, dass die Zahlen zu Suiziden nicht immer konkret sind. Diese basieren auf den Totenscheinen, die wiederum nur selten vollständig und oft widersprüchlich ausgefüllt werden.
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