Das Kinder- und Jugendhospiz Regenbogenland ist ein Haus für Familien mit Kindern und Jugendlichen, die wegen einer lebensverkürzenden Erkrankung oder einer schweren Behinderung nur eine eingeschränkte Lebenserwartung haben. Ein Ort, der sowohl Patienten als auch Angehörigen Kraft gibt. Im ersten Teil des Interviews erzählt die Geschäftsleiterin des Förderverein Kinder- und Jugendhospiz Düsseldorf e.V., Anja Eschweiler, wie das gelingt.
Redaktion: Frau Eschweiler, was genau ist das Kinder- und Jugendhospiz Regenbogenland? Zu welchem Zweck wurde es gegründet?
Anja Eschweiler: Das Regenbogenland begleitet lebensverkürzend erkrankte Kinder und Jugendliche. Nicht nur in der letzten Phase ihres Lebens. Der ganzheitliche Ansatz besteht insbesondere darin, den Familien schon während der Zeit der Erkrankung zur Seite zu stehen, was viele Jahre eines gemeinsamen Weges und der Unterstützung bedeuten kann.
In unserer Einrichtung stehen das Leben und die Lebensfreude im Mittelpunkt. Wir möchten den Familien dabei helfen, die ihnen noch verbleibende gemeinsame Zeit so erfüllt und positiv wie möglich zu gestalten. Ganz nach dem Motto:
„Es geht nicht darum, dem Leben mehr Tage zu geben, sondern den Tagen mehr Leben.“ (Cicely Saunders, Begründerin der Hospizbewegung)
Jede Familie geht hierbei ihren eigenen, ganz individuellen Lebensweg. Unsere Aufgabe ist es, diesen Weg wahrzunehmen, anzunehmen und mitzugehen. Dabei ist es uns besonders wichtig, jedes einzelne Familienmitglied im Blick zu haben, individuelle Gesprächs- und Unterstützungsangebote anzubieten und die Familien dauerhaft und nachhaltig auf ihrem Lebensweg zu begleiten. Unser Haus steht hierbei allen Familien mit erkrankten Kindern offen, unabhängig ihrer Herkunft, Religion, Hautfarbe oder Weltanschauung.
Redaktion: Wer kümmert sich vor Ort um die Kinder?
Anja Eschweiler: Im Regenbogenland übernehmen ausschließlich qualifizierte Pflegefachkräfte die Pflege und Betreuung der Kinder. Fachweiterbildungen wie zum Beispiel im Bereich der Pädiatrischen Palliativ Care, der außerklinischen Beatmung oder der basalen Stimulation sichern darüber hinaus die hohe Qualität der pflegerischen Versorgung. Die ganzheitliche Pflege orientiert sich in Inhalt und Umfang an den körperlichen, psychischen und sozialen Bedürfnissen der Kinder und Jugendlichen. Jedes Kind erhält durch spezialisierte Kooperationspartner aus den Bereichen der Physiotherapie und Logopädie alle notwendigen therapeutischen Maßnahmen für die Dauer seines Aufenthalts im Kinder- und Jugendhospiz Regenbogenland.
Als Ergänzung bieten wir zudem unterschiedlichste Therapiemöglichkeiten an, die zur Linderung der körperlichen Beschwerden und zur Entspannung der kleinen und großen Gäste beitragen und ihnen Momente des Wohlfühlens bereiten. Hierzu gehört beispielsweise die Tiergestützte Therapie, Musiktherapie oder auch die Clown-Therapie. Zusätzlich setzen wir auch andere Therapieformen, wie Kunsttherapie oder Aromatherapie ein, immer mit dem Ziel möglichst schöne und erfüllte Miteinander-Momente zu schaffen.
Redaktion: Wie würden Sie die Aufgaben des Regenbogenlandes beschreiben?
Anja Eschweiler: Selbstverständlich verstehen wir die Begleitung und Unterstützung in der letzten Lebensphase eines Kindes als unsere essenzielle, wenn auch außerordentliche Aufgabe. In der letzten Lebensphase eines Kindes bieten wir den Familien an, das betroffene Kind sowie seine nächsten Familienangehörigen zeitnah in unser Haus aufzunehmen. Zu den Besonderheiten in unserem Kinder- und Jugendhospiz zählt die umfassende palliativmedizinische Vor-Ort-Betreuung rund um die Uhr. Dabei legen wir großen Wert auf einen liebevollen, wertschätzenden Umgang und eine würdevolle Versorgung. Dazu gehört auch eine psychosoziale Begleitung, die das Kind beim Abschiednehmen von seinen Lieben und der Welt unterstützt. Qualifizierte Sozialpädagoginnen und unser Seelsorger stehen dem betroffenen Kind und seinen Zugehörigen als einfühlsame Gesprächspartner zur Seite.
Ein wichtiger Bestandteil unserer Arbeit liegt zudem in der Begleitung und Beratung der Familien in Trauerzeiten. Abschiednehmen und Sterben verstehen wir als wesentliche Aspekte des Lebens. Es ist uns wichtig, ihnen und der Trauer den notwendigen, würdevollen Raum zu geben. Dazu gehören im Regenbogenland neben Gesprächen auch verschiedene Trauerrituale und kreative Abschiedsmöglichkeiten. Auch auf diesem vermeintlich letzten Abschnitt begleiten wir Familien und geben ihnen den Freiraum, um das zu tun, was sich für sie richtig anfühlt.
Es liegt uns sehr am Herzen, betroffenen Familien ein würdevolles Umfeld zu ermöglichen und ihre Wünsche und Bedürfnisse bestmöglich zu erfüllen.
Wir wünschen uns sehr, dass wir auch über den Tod eines Kindes hinaus Ansprechpartner für die ein Leben lang betroffenen Familien bleiben dürfen. Solange die betroffene Familie uns braucht, stehen wir ihr als Ansprechpartner in ihrem veränderten Leben zur Seite. Dies schließt auch die Trauerbegleitung für Eltern, für die Geschwister und andere nahe Familienangehörige mit ein. Wir sind da – an besonderen Tagen, wie dem Todestag oder dem Geburtstag des verstorbenen Kindes, genauso wie an allen anderen Tagen, an denen sich die Familien Begleitung wünschen.
Wenn das eigene Kind lebensverkürzend erkrankt, verändert sich das bisherige Leben von Grund auf, und die gesamte Familie muss ihren Lebensalltag neu organisieren. In dieser Ausnahmesituation stehen wir den betroffenen Familien als Kinder- und Jugendhospiz bereits ab der Diagnose einer lebensverkürzenden Erkrankung zur Seite und bieten vielfältige Unterstützung und Begleitung auf Ihrem individuellen Lebensweg an, unter anderem durch stationäre Kurzaufenthalte im Regenbogenland. So kann die gesamte Familie während eines Aufenthalts Kraft schöpfen und neue Energien sammeln, hierbei ist es uns besonders wichtig, jedes einzelne Familienmitglied im Blick zu haben und die Familie dauerhaft und nachhaltig auf ihrem Weg zu begleiten.
Redaktion: Und wer sind Ihre Patienten?
Anja Eschweiler: Das Kinder- und Jugendhospiz Regenbogenland bietet insgesamt zehn Plätze in zwei Pflegebereichen für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene mit lebensverkürzender Erkrankung an. Fünf Plätze entfallen hierbei auf den Kinderbereich und fünf weitere Plätze auf den Jugendbereich. Wir betreuen über 250 Familien, viele davon nehmen unterjährig stationäre und ambulante Angebote des Regenbogenlandes wahr.
Im Regenbogenland verfolgen wir einen ganzheitlichen Ansatz: Wir sehen es als unsere Aufgabe der ganzen Familie Entlastung zu ermöglichen, Hilfe zu bieten und ein Angebot zu schaffen. Alle Beteiligten – Betroffene ebenso wie Zugehörige – sollen neue Kraft für ihren oftmals belastenden Alltag schöpfen können.
Auch die Angehörigen der lebensverkürzend erkrankten Kinder und Jugendlichen sind somit bei einem Aufenthalt jederzeit herzlich willkommen, seien es Eltern, Großeltern, Geschwisterkinder oder andere Zugehörige. Hierbei steht im Fokus, die gemeinsame verbleibende Zeit so positiv und erfüllt wie möglich zu gestalten und Miteinander-Momente der Freude und Entspannung bieten zu können. Wir gehen gerne ein Stück des Weges mit der Familie zusammen und bieten unsere Beratung und Begleitung an. Viele der Zugehörigen nehmen dieses Angebot gerne an und ziehen während des Aufenthaltes des erkrankten Kindes oder Jugendlichen mit in das Regenbogenland ein. Der Aufenthalt ist hierbei für die gesamte Familie kostenlos.
Redaktion: Wie beziehen Sie Familienmitglieder konkret ein?
Anja Eschweiler: Ein großes Augenmerk liegt auch auf den Geschwistern eines erkrankten Kindes oder Jugendlichen. Schließlich beeinflusst und verändert die Diagnose auch ihr Leben. Geschwisterkinder spüren die besonderen Herausforderungen im Alltag der gesamten Familie, übernehmen oftmals viele Aufgaben und setzen sich mit Themen auseinander, die für andere Gleichaltrige nicht nachvollziehbar sind. Mit einem auf ihre speziellen Bedürfnisse abgestimmten Konzept widmen wir uns Geschwistern jeglicher Altersgruppen.
Müttern und Vätern von lebensverkürzend erkrankten Kindern und Jugendlichen, bieten wir spezielle Familienaktivitäten an. Neben der Begleitung der Eltern liegen uns auch die Großeltern sehr am Herzen. Denn auch Oma und Opa müssen mit der besonderen Situation eines erkrankten Enkelkindes leben und sind oftmals eine große Stütze in der Familie.
Redaktion: Worin bestehen die Unterschiede zu einem Erwachsenenhospiz?
Anja Eschweiler: Es gibt tatsächlich einen bedeutenden Unterschied zwischen Erwachsenenhospizen und Kinder- und Jugendhospizen. Während ein Erwachsenhospiz Menschen ausschließlich in ihrer finalen Lebensphase aufnimmt, dürfen Kinder- und Jugendhospize die erkrankten Kinder und Jugendlichen bereits ab der Diagnose einer lebensverkürzenden Erkrankung begleiten.
So können wir im Regenbogenland Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene von Geburt an bis zu einem Alter von 27 Jahren mit einer vom Arzt diagnostizierten lebensverkürzenden Erkrankung aufnehmen und begleiten. Das Regenbogenland begleitet somit die erkrankten Kinder und Jugendlichen nicht nur in der letzten Phase ihres Lebens:
Der ganzheitliche Ansatz besteht insbesondere darin, der gesamten Familie schon während der Zeit der Erkrankung zur Seite zu stehen. Dies kann oft viele Jahre eines gemeinsamen Weges voller Miteinander-Momente und wertvoller Unterstützung bedeuten.
Über das gesamte Jahr verteilt können die betroffenen Familien dann im Regenbogenland Aufenthalte anfragen, die gemeinsam geplant und festlegt werden. Vor dem ersten Aufenthalt sind die Familien natürlich herzlich eingeladen, das Regenbogenland, seine Räumlichkeiten und die warme und einladende Atmosphäre bei einem Erstgespräch kennenzulernen. Altersentsprechend wird das erkrankte Kind dann entweder im Kinder- oder Jugendbereich des Regenbogenlandes aufgenommen und dort individuell von unserem multiperspektivischen Team begleitet.
Die meisten unserer Gäste verbringen circa 30 Tage im Jahr bei uns im Regenbogenland, wir nennen diese Aufenthalte dann „Entlastungsaufenthalte“, weil sie eine wertvolle Möglichkeit für die gesamte Familie darstellen, um Kraft zu schöpfen und neue Energien zu sammeln.
Titelbild: © Anja Eschweiler