Wie kann ich mit Kritik umgehen?

Wer wird denn gleich in die Luft gehen?“ Dieser Spruch in einer Zigarettenwerbung aus den 1970er-Jahren hat seither Kultstatus. Auch heute kann es sinnvoll sein, sich diese Frage zu stellen, wenn man etwa kritisiert wird. Natürlich hört niemand gerne Kritik an sich, seiner Arbeit oder seinem Verhalten. Und es lässt sich nicht kontrollieren, wer einen wie kritisiert. Worüber wir jedoch Kontrolle haben, ist unsere eigene Reaktion. Wir entscheiden, ob eine Kritik für uns positiv und nützlich ist oder ob unser Gegenüber nur ungerechtfertigt und unsachlich Dampf ablassen wollte. Aber wie reagiere ich richtig auf Kritik? Vier Tipps dazu.

Tipp 1: Abstand gewinnen und halten

Wer Kritik abbekommt, fühlt sich oft persönlich angegriffen. Deshalb ist es wichtig, Kritik zu versachlichen und sie nicht persönlich zu nehmen, unabhängig davon, wie persönlich der Angriff ist. Es hilft, genau nachzufragen, welches Verhalten und welche Situation die Person konkret kritisiert. Das schafft Abstand und versachlicht die Kritik. Besonders wichtig ist das bei persönlicher und unverschämt vorgetragener Kritik. In einer solchen Situation ist es richtig, ruhig zu bleiben, das Gespräch zu beenden und es ggf. auf einen späteren Zeitpunkt zu vertagen.

Tipp 2: die Balance halten

Kritik bringt Menschen aus dem Gleichgewicht. Den einen mehr, den anderen weniger. Und selbst wenn es so aussieht, als pralle die Kritik an jemandem ab, beschäftigt sie ihn (oder sie) möglicherweise innerlich durchaus. Es ist deshalb wichtig, sich einmal zu verinnerlichen, was Kritik bei einem auslöst: Bei manchen sind es Selbstvorwürfe („Ich hätte das wissen müssen“), bei anderen Selbstzweifel. Manche bekommen tatsächlich körperliche Symptome, werden unruhig, atmen zu flach oder zu hektisch. Und natürlich kommen Emotionen wie Wut, Ärger, Frust und das Gefühl der Demütigung dazu, ebenso wie das Gefühl, respektlos und ungerecht behandelt zu werden. In der Folge tauchen Rachegelüste auf, es kann zu innerer Kündigung im Job kommen und vielleicht lästern wir auch ein wenig mehr und spinnen Intrigen.

Niemand sollte diese Folgen einer Kritik einfach gedanklich „aussperren“, denn von selbst verschwinden diese Gefühle und Gedanken nicht. Am Ende können sie sogar das eigene Wohlbefinden massiv beeinträchtigen und für täglichen Stress sorgen. Deshalb heißt es: gegensteuern. Wer Selbstzweifel spürt, sollte sich etwa seine gute Arbeitsleistung einmal vor Augen führen. Wer Wut empfindet, sollte sich klarmachen, dass eine ungerechtfertigte und vielleicht noch unsachlich und demütigend vorgebrachte Kritik viel über den Kritisierenden aussagt und wenig bis gar nichts über den Kritisierten.

Tipp 3: Kritik analysieren

Jede Kritik lässt sich in vier Bestandteile zerlegen:

  • Die Sachebene: Was genau wird kritisiert?
    Hier ist wichtig zu erkennen, ob und in welchem Maße die Kritik gerechtfertigt ist.
  • Die Kritikerebene: Was offenbart der Kritiker mit seiner Kritik?
    Eine Kritik verrät viel über den, der kritisiert: Ist er penibel? Legt er Wert auf Pünktlichkeit? Auf Absprachen? Auf Selbstständigkeit? Es ist für die Zukunft wichtig, dieses Wissen aufzunehmen und die Kritik auch in diesem Licht zu sehen.
  • Die persönliche Ebene: Wie wirkt sich die Kritik auf die Arbeitsbeziehung aus?
    Eine Kritik beschreibt auch die Arbeitsbeziehung und die Erwartung des Kritisierenden. Wer diese genauer für sich eingrenzt („Absprachen sind ihm wichtig“), der kann Kritik in Zukunft vermeiden.
  • Die Forderungsseite: Was genau will der Kritisierende beim Kritisieren erreichen?
    Was genau soll die Kritik bewirken? Muss ich pünktlicher werden? Oder verlässlicher? Die Antwort darauf verhindert Kritik in Zukunft.

Wer Kritik so „zerlegt“, der kann von berechtigter Kritik profitieren. Und genauso unberechtigte Kritik innerlich abhaken, sie entschärfen und seine Balance schneller wiederfinden – siehe Tipp 2.

Sich mit Kritik zu beschäftigen, ist nur dann sinnvoll, wenn wir daraus etwas lernen können. Dafür muss der Kritisierende den oder die Fehler benennen und klarmachen, was er eigentlich erwartet. Deshalb kann man jedem nur raten, Kritik auszublenden, die keinen Lerneffekt hat. Dazu gehört Kritik mit den folgenden Merkmalen:

Übertreibungen

Der Kritiker bläst seine Kritik auf, ein Fehler mutiert zum Horrorszenario. („Damit ist das Projekt eigentlich gestorben!“)

Verallgemeinerungen

Der Kritisierende benennt keinen Fehler und bietet keinen Ansatz für eine Konfliktlösung, sondern generalisiert. („Immer passieren Fehler in dieser Abteilung.“)

Jammerei

Der Kritiker nutzt den Fehler eines anderen als Bühne und jammert, dass er/sie alles klären muss. („Ich muss das wieder geradebiegen!“)

Fake-Kritik

Der Kritiker argumentiert nicht faktenbasiert, sondern emotional und unsachlich. („So ein Fehler passiert doch wirklich niemandem!“)

Tipp 4: Kritik annehmen, akzeptieren und dann ablegen

Man hat Mist gebaut und ist zu Recht kritisiert worden? Das kommt vor, wir machen alle mal einen Fehler. Wichtig ist es, die Verantwortung für den Fehler zu übernehmen. Damit signalisiert man nach außen Einsicht, das ist wichtig für den Kritisierenden. Und nach innen realisiert der Kritisierte, dass ein Fehler so nicht noch einmal passieren darf. Kritik bringt Erkenntnis und Einsicht. Berechtigte Kritik ist Feedback und (wenn auch manchmal unangenehme) Qualitätskontrolle der eigenen Arbeit. Aber mit dem Wissen darf man die Kritik aber auch ablegen und nach vorn schauen.

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