Jeder von uns kennt ihn, den inneren Schweinehund. Und jeder verflucht ihn, denn er verführt uns zu Dingen, die uns nicht guttun: Netflix-Session statt Jogging, stundenlanges Scrollen durch Social Media-Feeds statt früh ins Bett zu gehen, um für das anliegende Meeting am nächsten Morgen ausgeschlafen zu sein, oder das Gläschen Wein, das nicht zwingend hätte sein müssen. Der innere Schweinehund sorgt dafür, dass wir uns immer wieder kurzfristig für Bequemlichkeit, Genuss und den leichten Weg entscheiden, statt daraufzusetzen, was langfristig besser für uns ist.
Kein Bock mehr darauf? Kein Problem!
Self-Nudging heißt das Zauberwort, übersetzt „selbst anstupsen“. Die Idee dahinter: Wenn wir Gewohnheiten ändern wollen, dann müssen wir nicht nur einmal die Entscheidung treffen, zu den Turnschuhen statt zur Fernbedienung zu greifen. Sondern diese Entscheidung müssen wir immer wieder treffen. Tag für Tag. Monat für Monat. So wie hunderte andere Entscheidungen auch. Und es fällt uns einfacher, diese „richtige“, die für uns gute Entscheidung treffen, wenn wir die Umgebung so anpassen, dass wir immer wieder auf die richtige Wahl aufmerksam, also hingestupst werden. So motivieren wir uns zu besserem Handeln, fördern die Selbsterkenntnis, was richtig und gut ist, und schalten unsere Schwachstellen gezielt aus.
Das hilft: der knackige Apfel am Kühlschrank
Es gibt Dutzende Ideen, wie wir uns selbst anstupsen können. Da reichen recht profane Aktionen manchmal schon aus. Das Foto vom knackigen Apfel auf der Frontseite des Kühlschranks ist so eine profanere Aktion. Natürlich kann man auch die ungesunden Lebensmittel aus dem Kühlschrank verbannen oder sie so lagern, dass man sie nicht sofort sieht – und stattdessen einen Apfel oder ein Stück Gemüse prominent platzieren. Etwas anspruchsvoller wird das sogenannte Framing. Damit stellt man seine Entscheidungen in einen größeren Kontext. So kann man ganz bewusst die Entscheidung, statt des Fahrstuhls die Treppe zu nehmen, für sich, so framen, dass jeder Treppengang Stück für Stück die Lebenserwartung verbessert. Wem das zu drastisch oder dramatisch ist: Jede Joggingrunde führt dazu, dass man sich besser fühlt. Frischer. Wacher. Gesünder.
(Technische) Hürden setzen
Die Selbstdisziplin lässt sich natürlich auch ein Stück weit erzwingen. Indem man selbst den Zugang zu etwas beschränkt, was einem selbst nicht guttut. Oder indem man höhere Hürden setzt, um Dinge nutzen zu können. Das beste Beispiel hier ist das Handy: Die Zeit für die Nutzung von Apps lässt sich technisch einfach beschränken. Ist die Zeit um, ist die App nicht mehr nutzbar. Natürlich lassen sich auch viele Benachrichtigungen am Handy ausstellen – man wird nicht wegen jeder sozialen Bewegung aus dem Umfeld alarmiert. Aber auch im Bereich der Ernährung kann man sich den Zugang zu ungesunden Lebensmitteln erschweren, indem beispielsweise der Partner den Zugriff erschwert. Wer erst fragen (und sich die Blöße geben) muss, um an ein Stück Schokolade zu kommen, der wird sicherlich häufiger mal darauf verzichten. Und auch ein Weniger an Auswahl hilft uns dabei, sich bewusster für das richtige zu entscheiden. Wer nur Wasser zu Hause hat, dem wird es leichter fallen, zum Wasser zugreifen, als wenn er neben dem Wasser die Auswahl zwischen einem Dutzend Getränken hat, die mal mehr, mal weniger ungesund sind.
Sozialer Druck zur Überwindung des inneren Schweinehunds
Wenn das noch nicht reicht, um die eigene Entscheidungs-Architektur nachhaltig zu verändern, dann lässt sich der Prozess über höheren sozialen Druck noch steigern: Wer angestrebte Veränderungen kommuniziert, der macht nicht so schnell einen Rückzieher. Niemand möchte vor Freunden oder Familienmitgliedern ein Scheitern eingestehen müssen. Und auch Verträge mit Freunden oder Familienmitgliedern helfen: Verpflichtet Euch, Summe X beispielsweise zu spenden, wenn Ihr Eure Vorsätze nicht einhaltet.
Aber man sollte auch daran denken, dass der innere Schweinehund ziemlich schlau ist. Wer in der Praxis die Hürden zu hoch setzt, die Ziele nicht maßvoll wählt, der wird ganz schnell selbst ausgetrickst. Wer bisher kaum Sport gemacht hat, sollte sich deshalb nicht zum 20-Kilometerlauf in der Heimatstadt nächsten Monat anmelden, sondern erst einmal mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren. Ansonsten sind Frust und Scheitern vorprogrammiert. Die selbst definierten Ziele sollten realistisch bleiben, die Hürden so gewählt, dass sie auch schaffbar sind.
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