Die Belgier machen es vor: Seit kurzem dürfen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Beneluxstaat vier statt fünf Tage pro Woche arbeiten. Der fünfte Tag der Woche kann – gesetzlich garantiert – frei genommen werden. Um das zu ermöglichen, kann die wöchentliche Arbeitszeit bei Vollzeitkräften auf vier statt fünf Tage verteilt werden. „Wir arbeiten an einer nachhaltigen, innovativen und digitalen Wirtschaft“, begründet Premierminister Alexander De Croo die Arbeitsmarktreform. Wie realistisch ist ein solches Szenario künftig in Deutschland? Wir haben nachgeforscht.
Die Nachfrage und ihre Tücken
Eine aktuelle Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa scheint zumindest aus Arbeitnehmersicht recht zu geben: Rund 71 Prozent der Befragten wünschen sich das belgische Modell auch hierzulande. Insbesondere jüngere Menschen wünschen sich laut Studie eine 4-Tage-Woche. Grund dafür: mehr Zeit am Stück für Familie und Kinder zu haben. Aber das Modell hat auch seine Tücken: Die Zeit die man am langen Wochenende gewinnt, ist man während der verbleibenden vier Tage länger am Arbeitsplatz. Aus diesem Grund favorisieren Gewerkschaften schon seit längerem eine Verkürzung der Gesamtarbeitszeit.
Herausforderung für Unternehmen
Für Unternehmen bedeutet eine 4-Tage-Woche zusätzlichen organisatorischen Aufwand. Für die Mitarbeiter, die am vierten Tag nicht am Arbeitsplatz sind, muss in der Regel Ersatz eingeplant werden. Auch die Arbeitszeitgesetze in Deutschland lassen das belgische Modell nicht einfach auf den hiesigen Arbeitsmarkt übertragen. Zwar wäre ein 10-Stunden-Tag bei einer 4-Tage-Woche arbeitsrechtlich noch zulässig. Allerdings sei problematisch, dass Beschäftigte sich damit „am Anschlag des arbeitszeitrechtlich Zulässigen“ bewegen, betont Fachanwalt Philipp Byers von der Kanzlei Watson Farley & Williams im Handelsblatt. Schon bei nur einer Überstunde sei damit der rechtlich zulässige Rahmen bereits überschritten. Weiteres Problem kann der gesetzliche Urlaubsanspruch sein: Denn auch bei einer Vier-Tage-Woche beträgt er mindestens vier Wochen pro Jahr.
Ist damit die 4-Tage-Woche in Deutschland schon vom Tisch?
Experten sagen: ja und nein. Feldversuche in Island, Großbritannien und den USA haben gezeigt, dass eine Umsetzung auf ein solches Arbeitszeitmodell durchaus die Produktivität steigern kann. So sagt Dieter Zapf, Professor für Arbeitspsychologie an der Universität Frankfurt/M. im Interview mit dem Online-Magazin watson:
„Verschiedene Untersuchungen zeigen, wie sich über die Wochentage hinweg Erschöpfung aufbaut, die dann über das Wochenende wieder abgebaut werden kann. Das würde durch eine Vier-Tage-Woche noch einmal substantiell besser.“
Auch in Deutschland haben schon verschiedene Unternehmen die vier Tage Woche entweder eingeführt oder experimentieren damit. Ob sich das Modell langfristig auch hier zu Lande durchsetzt, ist schwer vorherzusagen.
Zugleich besteht aber auch heute schon in Deutschland die Möglichkeit, die Wochenarbeitszeit zu verkürzen, nämlich durch das Teilzeitarbeit. Auf diese besteht auch jetzt schon ein Rechtsanspruch, allerdings bei gleichzeitiger Reduktion der Vergütung. Wer also in Deutschland schon heute nur vier Tage arbeiten möchte, kann dies mit dem Arbeitgeber vereinbaren, allerdings nur mit dem entsprechend geringeren Gehalt.
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