Der Netflix-Effekt: Entscheidungshilfe statt Stress

Netflix-Effekt
Netflix-Effekt

Wer in den 80-er Jahren groß geworden ist, musste beim Fernsehen nicht viel überlegen: Es gab drei Programme – ARD, ZDF und das „Dritte”, das Regionalprogramm, je nach Region vielleicht noch DDR 1 und DDR 2. Das war´s! Und heute? Heute bietet alleine Netflix so viele Optionen, dass viele Menschen den halben Abend brauchen, etwas passendes zum anschauen zu finden. Auswahl und Entscheidungsoptionen werden zum Stressfaktor. Und diesen Netflix-Effekt finden wir überall – nicht nur beim Streamen.

Die Qual der Wahl

Denn das Motto scheint überall zu lauten: „Je mehr, desto besser”: Und das gibt es nicht nur beim Fernsehen, sondern auch bei …

  • Online-Shops wie Amazon, wo wir für jedes Produkt dutzende Optionen haben.
  • Reiseangeboten: Es gibt Dutzende Portale, die uns unser Reiseziel in hunderten Varianten anbieten.
  • Möbelgeschäften wie zum Beispiel: IKEA, bei denen wir stundenlang die verschiedensten Optionen für ein Möbelstück austüfteln können.
  • Automodellen, die es unzähligen Konfigurationen gibt.

Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen, das Problem aber bleibt immer gleich:

  • Wir wählen eine Option aus dutzenden oder hunderten aus – und sind gestresst, weil wir nicht wissen, ob es die richtige ist.
  • Die Optionen machen uns unzufrieden: Wir müssen uns endlich entscheiden. Und doch haben wir Selbstzweifel, denn eine andere Option wäre vielleicht besser gewesen. Oder doch nicht?
  • Die Optionen lähmen uns: Wir fahren zu MediaMarkt und wollen einen Fernseher kaufen. Aber welchen? Wie viel Zoll? Welche Marke? Testsieger oder nicht? Und wenn ja, welchen? Und was waren noch einmal die Vorteile von dem und die Nachteile von dem Modell? Am Ende kaufen wir lieber keinen.

Der Netflix-Effekt: Das Auswahlparadox

Dieses Verhalten nennen Psychologen Auswahlparadox – wer mehr Optionen hat, dem fällt es deutlich schwerer, sich zu entscheiden. Und tatsächlich gehen Psychologen und Konsumforscher wie der US-Amerikaner Barry Schwartz davon aus, dass ein zu Viel an Auswahl tatsächlich sogar unglücklich macht.

Was also tun? Im Idealfall entwickelt Ihr Euch vom „Entscheidungsperfektionisten“ zum sog. „Gut-genug-Entscheider“.

Der Unterschied: Entscheidungsperfektionisten sind immer auf der Suche nach dem Besten, nach der optimalen und perfekten Lösung. Weniger darf es auch gar keinen Fall sein. Gut-genug-Entscheider sind zufrieden, sobald etwas gut genug ist – es müssen nicht die 100 Prozent sein, 80 oder 90 Prozent können auch reichen. Wie aber die Seiten wechseln?

Hier sind fünf Tipps:

Lasst Fehler zu

Die Nullfehlertoleranz ist wichtig im Flugzeugbau, aber nicht bei der Auswahl des richtigen Elektro-Gadgets für den Privatgebrauch. Gesteht Euch zu, bei einer Entscheidung auch einmal falsch zu liegen. Privat, aber auch beruflich.

Kritik hinnehmen lernen

Wer immer alles richtig entscheiden will, der glaubt sich vor Kritik geschützt. Aber was A als richtig ansieht, findet B vielleicht noch ok, C aber falsch. Und was C richtig findet, stößt A übel auf. Um A, B und C glücklich machen zu können, müsst Ihr einfach viel zu viel Energie aufwenden und Rückgrat opfern – lernt lieber einmal, mit Kritik zu leben, wenn Ihr Eure Entscheidung getroffen habt.

Trainiert!

Gewöhnt Euch an, Eure Entscheidungen innerhalb einer angemessenen Frist zu treffen. Die neue Serie bei Netflix? Dafür habt Ihr fünf Minuten! In welchen Kinofilm gehen wir? Maximal zehn Minuten Entscheidungsfrist. Wohin in den Urlaub? Zwei Tage Zeit. Welches neue Auto? Vier Tage Zeit! Und seid mal spontan. Vielleicht nicht gerade beim Autokauf, aber beim Kinofilm kann doch nicht wirklich viel schiefgehen.

Bewährtes hegen und pflegen

Manchmal brauchen wir gar keine Optionen. Wir haben eine Lösung bereits gefunden. Ja, aber wir wollen eine noch besser. Aber warum denn? Bleibt doch einmal bei dem, was sich bewährt hat. Das gilt für den Lieferservice beim Essen genauso wie für einen wichtigen Arbeitsprozess in der Firma. Es besteht keine Notwendigkeit, Bewährtes immer wieder neu auf den Prüfstand zu stellen.

Einfach machen!

Optionen sind so anstrengend und lähmend, weil sie Arbeit bedeuten. Wir analysieren für die beste Entscheidung. Wir wägen ab. Wir diskutieren. Natürlich müssen bestimmte Vorhaben zumindest im Groben geplant werden. Aber häufig ist das Erfolgsgeheimnis: Einfach machen.

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