Die Corona-Krise tobt nach wie vor. Für Studenten und Universitäts-Lehrende bedeutet das neue „Corona-Semester“ eine starke Belastung. Wir werfen einen Blick auf diese Zielgruppe.
„Ich spreche in eine Blackbox“
Leere Seminarräume und Hörsäle, Fragen per Chatsystem, stets begleitet vom kleinen gläsernen Auge der Kamera – das sind nur ein paar der Dinge, an die sich die Studenten, Professoren und Lehrer an den deutschen Universitäten gewöhnen mussten. Die Corona-Krise hat das Lernen völlig auf den Kopf gestellt. „In der digitalen Universität spreche ich in eine Blackbox“, schreibt etwa die Physik-Juniorprofessorin Susanne Westhoff in der Zeit. Sie führt an, dass die Betroffenen sich der Krise zwar gut angepasst haben – zum Beispiel besprechen Studenten das Lernmaterial gemeinsam über das Internet. Aber auf der anderen Seite funktioniere das Lernen und Lehren in Person am besten.
Digital Studieren
Welche Auswirkungen die Pandemie genau auf die Gesamtsituation der Studenten und Forscher an den Unis hatte, untersuchten zuletzt Experten des Instituts für Sozial- und Organisationspädagogik der Universität Hildesheim. Die Kernfrage dabei war: Wie haben deutsche Studenten das digitale Sommersemester erlebt und was haben sie aus dem veränderten Studienalltag gelernt? Um das herauszufinden, führten die Forscher eine bundesweit qualitative Online-Befragung Stu.diCo durch, an der insgesamt mehr als 3.000 Studenten teilnahmen. Die Forscher analysierten die Daten von rund 2.350 Studenten.
„Es gibt nicht die typische Studentin oder den typischen Studenten – entsprechend unterschiedlich fallen die Bewertungen zum digitalen Studieren und zur Änderung des Lebensalltag aus.“ – Dr. Severine Thomas, Teil der fünfköpfigen Forschergruppe von Stu.diCo, in einer Pressemeldung.
Kultureller Stillstand
Bei einigen Kernthemen waren sich die Befragten größtenteils einig. So beklagten rund drei Viertel (72,4 Prozent) im digitalen Semester eine höhere Arbeitsbelastung als sonst. Die knappe Mehrheit (59,4 Prozent) bewertete die Aussicht auf ein weiteres digitales Semester als schlecht. Als besonders belastend empfanden sie unter anderem die fehlende Infrastruktur der jeweiligen Hochschule – darunter fallen etwa die Mensa oder auch die Bibliothek. Weiterhin fehlte ihnen der persönliche Kontakt zu anderen Studenten (85,4 Prozent).
Eine große Mehrheit der Befragten gab an, dass es im sozialen und kulturellen Austausch zu einem Stillstand gekommen sei. Dementsprechend gaben 79 Prozent an, ihr Campusleben zu vermissen. Etwa die Hälfte der Befragten fand, dass es im digitalen Semester zu wenige Möglichkeiten gab, die Lehrenden anzusprechen. Mehr als ein Drittel der Befragten (37 Prozent) brachten außerdem den finanziellen Faktor ins Spiel. Sie hatten durch die Krise weniger Geld zur Verfügung als sonst. 44 Prozent machten sich dagegen generell Sorgen um ihre Finanzen.
Digital studieren und technische Schwierigkeiten
Das Arbeiten von zu Hause aus stellte die Studenten jedoch auch rein technisch vor Probleme. Viele fanden keinen geeigneten Platz mehr zum ruhigen Arbeiten, andere beklagten Einsamkeit und Ablenkungen. Dazu kamen technische Einschränkungen. Denn um an einem digitalen Semester teilzunehmen, ist mindestens ein mobiles Endgerät notwendig – zum Beispiel ein Smartphone oder ein Tablet, das die gängigen Kommunikations-Apps abspielen kann.
Dabei stellt sich auch stets die Frage nach passender Hard- und Software. Ist das Programm für eine fehlerfreie Übertragung geeignet? Sind genug „digitale Sitzplätze“ für den ganzen Kurs vorhanden? Und ist das Programm mit den in Deutschland geltenden Datenschutzstandards vereinbar? Diesen und vielen weiteren Punkten mussten sich die deutschen Hochschulen in diesem Semester stellen.
Licht am Ende des Datentunnels
Allerdings gab es auch einige Vorteile. Für viele entfallen teilweise lange Anfahrtswege zum Studienort, was eine Zeitersparnis bedeutet. Außerdem sorgen die „digitalen Semester“ für einen Sprung in Sachen Digitalisierung. Hochschulen haben so die Möglichkeit, mit verschiedenen Tools und Konzepten zu experimentieren. „Vielleicht wird das Experiment der virtuellen Vorlesung auch die deutsche Hochschullehre neu prägen“, sagt die Professorin Westhoff dazu.
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