Charlie Jahnke: „Wir Eishockeyspieler riskieren Verletzungen aus falschen Stolz.“

Charlie Jahnke

Laut Statistik gab es im Jahr 2020 in Deutschland rund 69,14 Millionen Menschen ab 14 Jahren, denen Eishockey bekannt war. Etwa 5,54 Millionen interessierten sich laut eigenen Angaben sogar ganz besonders für die Sportart. In Zeiten von Corona-Lockdown und geschlossenen Sporteinrichtungen wagen sich davon nun immer mehr selbst auf dem heimischen See an den Puck. Wie groß die Leidenschaft für Eishockey werden kann, weiß Charlie Jahnke. Im Interview spricht der Stürmer des Düsseldorf EG über seine Anfänge, Trainingspläne und darüber, was er Breitensportlern rät.

Redaktion: Herr Jahnke, wie sind Sie zum Eishockey als Hobby und in Folge zum Profisport gekommen?

Charlie Jahnke: Meine Cousinen waren schon immer sehr große Fans von den Eisbären Berlin. Als ich dann zu Spielen mitgenommen wurde, war ich sofort begeistert und wollte selbst spielen. Mit sechs Jahren durfte ich endlich zum Schnuppertraining in der Jugendmannschaft und hab mich direkt in den Sport verliebt. Mir war direkt klar, dass ich Profi werden möchte. Und so ist es ja auch gekommen.

Der erste Knackpunkt für den Übertritt zum Profi: Sportschule.

Wer Profi werden möchte, kann ab der siebten Klasse auf die Sportschule. Wer hier aufgenommen wird, hat den ersten Schritt vom Breiten- zum Leistungssport geschafft. Das ist allerdings nur eine Möglichkeit zum Profisportler. Nach dem Schulabschluss ist der Wechsel von U20 in die Profiliga die zweite Wende.

Redaktion: Wie ungewöhnlich ist es denn, eine solche Entscheidung tatsächlich umzusetzen?

Charlie Jahnke: Geschätzt würde ich sagen: maximal fünf Prozent wechseln in den Profibereich. Viele schaffen den Sprung nicht. Andere merken, dass es für sie besser ein Hobby bleibt. Und entwickeln sich beruflich in eine andere Richtung.

Redaktion: Wie sieht der Trainingsplan eines Eishockeyprofis aus?

Charlie Jahnke: Von der siebten bis zur zehnten Klasse hatte ich quasi keine Freizeit. Ich hatte entweder Schule oder Training und am Wochenende Spiel. Das war’s. Früher hatte ich teilweise zweimal täglich Training. Inzwischen trainieren wir jeden Vormittag von acht bis zwölf Uhr und haben anschließend frei. Der Trainingsplan ist saisonabhängig. Im Sommer gehen wir beispielsweise viel außerhalb des Eises auf Konditions- und Krafttraining. Währen der Saison haben wir Athletiktraining, Videoanalysen der letzten Spiele und gehen dann aufs Eis.

Die Saison dauert von Anfang September bis in den März. Anschließend beginnen die Playoffs. Die können bis in den April gehen. Zwischen den Saisons haben wir einen knappen Monat Pause. Zu lange wäre auch nicht gut. Spieler unter Vertrag absolvieren auch währenddessen ihren eigenen Trainingsplan. Mit dem August startet dann wieder das erste Gemeinschaftstraining der Vorbereitungsphase.

Redaktion: Wie viel Disziplin erfordert das noch im Privatleben?

Charlie Jahnke: Während der Saison absolviert man alles im Training. Privat spart man seine Energie. Ich ernähre mich gesund, aber esse genauso mal eine Pizza. Natürlich gibt es auch Kollegen, die ganz strikt auf Zucker und Fast Food verzichten. Für mich ist das allerdings verlorene Lebensqualität.

Redaktion: Du hast Dich erst kürzlich während eines Spiels verletzt. Was ist passiert? Und inwieweit nehmen Eishockeyspieler das Verletzungsrisiko in Kauf?

Charlie Jahnke: Tatsächlich war das meine erste starke Verletzung. Ich habe mir in einem Spiel das Wadenbein gebrochen, das Syndesmose- und Innenband am rechten Fuß gerissen. Ansonsten hatte ich immer Glück. Prellungen und Blessuren gehören nun mal immer dazu. Das Verletzungsrisiko ist ständig gegeben. Wer das nicht in Kauf nimmt, spielt kein Eishockey. Aber selbstverständlich beugen wir mit Training vor.

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Redaktion: Was können Hobbysportler tun, um das Verletzungsrisiko gering zu halten?

Charlie Jahnke: Manche Sachen wie ein Schuss ins Gesicht lassen sich auch durch Training nicht verhindern. Hobbysportlern rate ich daher auf jeden Fall mit einem Gitter- oder Vollvisier zu spielen. Im Profisport spielen wir aus falschem Stolz alle mit einem Halbvisier. Das ist meiner Meinung nach dumm. Zudem ist eine gute körperliche Grundfitness Voraussetzung für möglichst wenig Verletzungen.

Redaktion: Was gehört zur Ausrüstung eines Eishockeyspielers?

Charlie Jahnke: Hier unterscheiden sich Profi- und Breitensport wenig. Man trägt Schwitzwäsche. Darüber Shirt und Hose. Tiefschutz, Schienbeinschoner, Stutzen, Brustpanzer, Ellenbogenschoner und Trikot. Dazu Helm, Hand- und Schlittschuhe. Und natürlich der Schläger.

Die Schutzausrüstung wegzulassen kann böse enden.

Preislich ist der Sport schon recht aufwendig. Alles in allem liegt eine günstige Ausrüstung zwischen 500 bis 1.000 Euro. Tendenz nach oben. Als Hobbysportler kann man beispielsweise an den Schlittschuhen sparen. Hier gibt es gute Modelle schon günstiger.

Redaktion: Wie häufig wechseln Profisportler die Ausrüstung?

Charlie Jahnke: Unterschiedlich. Schlittschuhe erneuere ich zum Beispiel jedes Jahr. Das aktuelle Paar habe ich bereits seit zwei Jahren. Das ist ungewöhnlich, aber durch die Verletzung habe ich keine Lust auf neue Schlittschuhe, die erst eingetragen werden müssen. Meinen Brustpanzer habe ich seit über zehn Jahren. Er sieht dementsprechend aus. Aber ich möchte ihn nicht missen. Viele spielen dafür ihr ganzes Leben mit dem gleichen Tiefschutz. Helme werden saisonal gewechselt, während manche ihre Handschuhe noch während eines Spiels tauschen. Den größten Verschleiß haben die Schläger. Hier brechen mir im Jahr bestimmt 20. Seit Beginn meiner Eishockeykarriere dürften es schon über 100 gewesen sein.

Redaktion: Was macht Eishockey für Dich – trotz Verletzungsgefahr – zum besten Sport?

Charlie Jahnke: Eishockey ist eine der komplexesten Sportarten. Es fasziniert mich, so viele Sachen auf einmal können zu müssen. Und das alles auf Kufen, die nur ein paar Millimeter breit sind. Gepaart mit dieser Härte und Geschwindigkeit ist der Gedanke schon fast absurd. Aber das Gefühl aufs Eis zu gehen und einfach zu spielen ist unbeschreiblich toll.

© Titelbild: DEG Eishockey/Birgit Hefner