Chronischer Frust im Job erhöht Demenzrisiko

Demenzrisiko Job

W

er sich im Beruf dauerhaft frustriert, langweilt oder unterfordert fühlt, hat auf Dauer ein erhöhtes Demenzrisiko. Zu diesem Ergebnis kam eine umfassende internationale Analyse, die im British Medical Journal (BMJ) veröffentlicht wurde.

Kern der Untersuchung, die in Großbritannien, Europa und den USA durchgeführt wurde, ist der Zusammenhang zwischen geistiger Stimulierung und dem Risiko, an Demenz zu erkranken. Das internationale Team hat dazu insgesamt 13 internationale Langzeitstudien ausgewertet. Ihre Ergebnisse zeigen einen Zusammenhang zwischen arbeitsbedingten Faktoren und chronischen Krankheiten, Behinderung und Sterblichkeit.

Höheres Demenzrisiko bei Menschen mit geistiger Unterforderung

Insgesamt flossen die Daten von 107.896 Menschen ein, die durchschnittlich 45 Jahre alt waren. Die Forscher fragten gezielt, ob die Probanden ihren Beruf als „kognitiv stimulierend“ einschätzten und damit anspruchsvolle Aufgabengebiete vorweisen können. Die Langzeitstudie war auf durchschnittlich 17 Jahre festgelegt. Damit konnten die Wissenschaftler überprüfen, ob die Probanden in diesem Zeitraum eine Demenz entwickelten oder nicht.

Das Ergebnis zeigte: Menschen mit stark fordernden Berufen erkrankten im Alter seltener an einer Demenz als jene, die ihre Arbeit als unterfordernd angegeben hatten. In Zahlen ausgedrückt bedeutet das: In der ersten Gruppe gab es unter 10.000 Probanden 4,8 Demenzfälle, während in der zweiten Gruppe 7,3 Fälle auftraten.

Unzufriedenheit ähnlich gefährlich wie Alkoholsucht

Demenz hängt allerdings auch von vielen anderen Faktoren ab wie beispielsweise Alter, Geschlecht, Vorerkrankungen und Bildungsgrad. Diese flossen nach Angaben der Forscher in die Auswertung mit ein. Trotzdem bleibt der Zusammenhang zwischen erfüllenden Berufen und einem Demenzrisiko bestehen. Ein unbefriedigender Job sei sogar ähnlich gefährlich wie eine Alkoholsucht beziehungsweise eine große Menge an Alkoholkonsum. Der Vergleich lässt sich nach Einschätzung der Wissenschaftler auch mit dem Gesundheitsrisiko Bewegungsmangel ziehen. Wer sich in seinem Leben nur wenig bewegt, hat ein ähnlich hohes Risiko, an Demenz zu erkranken wie jemand, der in seinem Beruf unglücklich ist.

Demenzrisiko: „Use it or lose it“

Die Daten zeigen ein deutliches Bild und lassen sich mit dem Prinzip “use it or lose it” zusammenfassen. Wer sein Gehirn ständig fordert, schützt sich gewissermaßen vor einer Demenzerkrankung. Als biologische Ursache für ein geringeres Krankheitsrisiko werten die Wissenschaftler das niedrigere Level dreier bestimmter Proteine. Die sogenannten Plasma-Proteine stören wohl das Wachstum von Nervenzellen – und viele von ihnen erhöhen wiederum das Risiko für eine Demenz. Bei Personen mit kognitiv stimulierenden Berufen wurden demnach weniger der Proteine im Blut gefunden.

Immer mehr Menschen wagen in der Lebensmitte einen Berufswechsel

Dass ein Job zur Belastung werden kann, ist wohl schon vielen Menschen passiert. Für die Wirtschaftsinformatikerin Maike Brunk aus Hamburg wurde er gar zur Belastung. In der ZEIT erzählte sie ihre Geschichte, wie sie aus einer spontanen Idee heraus ihr Leben in eine neue Richtung lenkte. Sie arbeitete damals in einem Hamburger Softwareunternehmen und war nicht mehr zufrieden mit ihren Aufgaben: Workflowmanagement, Prozessoptimierung? Es geht doch nicht alles, sagte sie und bildete sich nebenberuflich weiter und studierte noch einmal Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Tourismus. Ihr Ziel: Hafenrundfahrten zu Hamburgs Elbinseln. Inzwischen bietet sie hundert Mal im Jahr Touren über die Elbe und individuelle Führungen auf weniger touristischen Inseln an. Trotz der Widrigkeiten zu Beginn ihrer Selbständigkeit ist Brunk froh, dass sie in der Mitte des Berufslebens noch einmal etwas Neues gewagt hat. Der „Turnaround“ im Erwachsenenalter kommt immer häufiger vor.

Es sind Geschichten wie jene von Maike Brunk, die die These der Wissenschaftler stützen. Dennoch: Trotz der umfassenden Datenlage betonen die Forscher, dass auch in der Studie nicht erfasste andere Einflussfaktoren eine Demenzerkrankung verursachen können. In ihren Schlussfolgerungen sind die Studienautoren daher vorsichtig.

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