Risikoberuf Tierarzt: Es ist nicht alles flauschig

Tierarzt

Den ganzen Tag süße Fellnasen, um die man sich kümmern muss, und hin und wieder mal bei der Geburt eines Kälbchens helfen. So malen sich viele den Alltag eines Tierarztes aus. Umso erschreckender die Ergebnisse einer aktuellen Studie: Die Suizidgefahr ist bei keinem Job so hoch wie bei Tierärzten. Wir berichten, welche Gründe hinter den Ergebnissen stecken. 

Knapp ein Fünftel mit Suizidgedanken

Der Beruf des Tierarztes ist bei Jugendlichen hoch im Kurs. Die Vorstellungen des Alltags weichen jedoch von der Realität ab. Eine Studie zeigt, dass der Alltag eines Veterinärmediziners mit einem hohen Belastungsrisiko einhergeht. Der zeitliche und wirtschaftliche Druck schlägt auf die Psyche. 19,2 Prozent der befragten Tiermediziner in Deutschland haben laut einer aktuellen Studie Suizidgedanken. Im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung sind das 13,5 Prozent mehr. Über ein Viertel der Tierärzte wurden positiv auf Depressionen getestet. In der Bevölkerung sind es vier Prozent.

Auch in den Staaten kommen Studien auf ähnliche Ergebnisse. Laut einer Studie wurden 11.620 Todesfälle innerhalb von 36 Jahren gemeldet. 398 davon waren auf Selbstmord zurückzuführen. Darunter 326 männliche Verstorbene und 72 weibliche. Die Selbstmord-Rate der Veterinäre liegt damit deutlich höher als beim Rest der US-Gesamtbevölkerung. Bei Männern ist die Wahrscheinlichkeit 2,1-mal so hoch, bei Frauen sogar ganze 3,5-mal.

Steigende Überschuldung der Veterinärmediziner

Doch was trägt dazu bei, dass Tiermediziner eine erhöhte Selbstmord-Rate aufweisen? Befragungen (PDF) weisen darauf hin, dass psychosoziale Belastungen am Arbeitsplatz mögliche Argumente für das erhöhte Risiko sein können. Stress, der es schwierig macht, privaten oder familiären Verpflichtungen nachzukommen, häufige Müdigkeitserscheinungen und emotionale Erschöpfung spielen dabei häufig einen Grund. Aber auch lange Arbeitszeiten, die hohen Erwartungen der Tierbesitzer, das Überbringen schlechter Nachrichten und steigende Kosten könnten der Grund sein. Ebenfalls eine Studie aus den Staaten zeigt mit 67 Prozent den größten „Sorgen-Macher“, der besonders bei jüngeren Tierärzten ins Gewicht fällt: die steigende Überschuldung.

Linda Lord, Autorin der Merck-Untersuchung, ist besorgt: „Wir alle müssen dabei mithelfen, einen gesünderen Lebensstil unter Tierärzten zu propagieren, einschließlich einer vernünftigen Work-Life-Balance, besseren Erholungsmöglichkeiten und Auswegen aus der Schuldenfalle.“

Haustierbesitzer seien im Kontrast dazu oft verärgert, so Julia Arnoldi, Tierärztin in Freiburg. „Uns wurde oft vorgeworfen, geldgierig zu sein und Tieren nicht helfen zu wollen – nur weil wir sie nicht umsonst operiert haben.“ Einmal habe ihr sogar ein Mann gedroht, nach Feierabend aufzulauern, wenn sie seinen Hund nicht kostenlos operiere. Am Ende kam daraufhin die Polizei. 

Suizidpräventionsprogramme: Not One More Vet

Um die Suizidrate so gering wie möglich zu halten, ist Prävention angesagt. Die USA gehen hier mit gutem Beispiel voran. „Not One More Vet“, lautet das Suizidpräventionsprogramm, welches extra für Tiermediziner gedacht ist. Auch in Deutschland sind die ersten Projekte zur Prävention geplant.  

Dr. Klaus Sommer, Tierarzt einer Münchener Klinik, dazu: „Natürlich hat der Beruf sogar in der großen Überzahl wahnsinnig erfüllende und bereichernde Momente. Wir knuddeln den ganzen Tag Tiere und lernen viele unterschiedliche Menschen kennen. Wir bekämpfen meist erfolgreich Krankheiten und besiegen auch manchmal den Tod. Der Beruf ist aufregend, nie langweilig und extrem abwechslungsreich. Aber es ist wie mit Online-Bewertungen: Eine schlechte Bewertung / Begegnung bleibt viel mehr hängen als die vielen guten eines ganzen Tages – und raubt einem die Nacht.“ Deshalb empfiehlt auch sie, sich aktiv an der Organisation zur Prävention zu beteiligen. 

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