I
n Amerika kommen schon seit hunderten von Jahren verschiedenste Kulturen zusammen. Manche vermischen sich nach dem Prinzip des Melting Pots und formen daraus eine eigene Kultur mit neuen Abwandlungen ursprünglicher Traditionen. Andere bleiben, getreu dem Salad Bowl Prinzip, entschlossen abgetrennt, und widmen sich rein ihren eigenen Traditionen. Viele dieser Traditionen haben mit dem Tod zu tun, weshalb die Todessymbolik auf dem amerikanischen Doppelkontinent sehr vielseitig ist.
Halloween vs. der Tag der Toten
Halloween als Tag der Geister und der Toten, so wie wir es heute kennen, hat einen weiten Weg hinter sich: Seinen Ursprung hat dieses Fest bei den Kelten in Irland. Dort feierte man an diesem Tag die Ernte. Doch die Heiden und Kelten glaubten auch, dass an diesem Tag die Tür zwischen dem Reich dem Jenseits und der normalen Welt weit offen steht und die Verstorbenen im Reich der Lebenden wandeln. Zur Abschreckung der bösen Geister verkleideten sich die Menschen. Eine Tradition, die die Iren mit nach Amerika nahmen, als sie auswanderten und dort zu einem alljährlichen Brauch machten. Mittlerweile wird das Feiern von Halloween nicht nur in Deutschland immer beliebter, sondern auch in Mexiko
Allerdings kommt es hier zu einem kulturellen Konkurrenzkampf. Denn in Mexiko gab es eigentlich bereits einen Ehrentag für die Toten, der am selben Tag gefeiert wird: Der „dia de muertos“ (Tag der Toten). Anders als bei den Kelten sind die Verstorbenen an diesem Tag in Mexiko sehr willkommen. Die Einwohner glauben, dass die Toten zum Ende der Erntezeit zurückkehren, um mit ihren Familien ein fröhliches Wiedersehen mit Musik, Tanz und gutem Essen zu feiern. Der Tod wird hier nicht gefürchtet, sondern mit Köstlichkeiten, etwa dem Pan de Muerto (Totenbrot) und verschiedenen Süßigkeiten, willkommen geheißen. Anstatt der düsteren Stimmung von Halloween ist alles bunt und fröhlich. Verschiedene Formen der Totensymbolik, wie Totenköpfe und Miquiztli, sind überall zu finden. Trotz der zunehmenden Popularität von Halloween ist der dia de muertos immer noch ein wichtiger Teil der mexikanischen Kultur. 2003 wurde der Feiertag sogar in die UNESCO-Liste der „Meisterwerke des mündlichen und immateriellen Erbes der Menschheit“ aufgenommen.
Salatschüssel voller Todessymbolik
Der Ursprung vieler Todessymbole liegt weit in der Vergangenheit. Im mittel- und südamerikanischen Bereich sind es oft die Traditionen der Inka, die bis heute überdauern. Beispielsweise wird in Peru jährlich ein Fest veranstaltet, um Schutz vor dem Supay zu erhalten. Er ist ihrer Mythologie zufolge der Gott des Todes und Herrscher der Unterwelt.
Im nordamerikanischen Bereich vermischen sich Todessymbole der amerikanischen Ureinwohner mit denen der Einwanderer. So kann es zu vielen Fehleinschätzungen kommen. Die Eule wird zum Beispiel oft als Vorbote für Unheil dargestellt. Ihr Ruf bei Nacht wird als unheimlich wahrgenommen. Bei den Ureinwohnern wurde die Eule allerdings als Glücksbringer angesehen. Auch der Totempfahl, mit dem die viele Indianer in Nordamerika ihre Familienhistorie ehrten, wird häufig mit dem Marterpfahl gleichgestellt, einem Ort für Folter und Tötung von Feinden.
Doch auch die Neuzeit kann neue Todessymbolik hervorbringen: In den 1960er Jahren wurden in einer kleinen Stadt in West Virginia die Legende des „Mothman“ geboren. Augenzeugen berichteten damals, eine über zwei Meter große schwarze Gestalt mit rot leuchtenden Augen und breiten Flügeln gesichtet zu haben. Die Sichtungen häuften sich in der darauffolgenden Zeit. 13 Monate nachdem der Mothman zum ersten Mal gesehen wurde, stürzte in der Kleinstadt eine Brücke ein und mehr als 40 Menschen verstarben. Es ranken sich viele Theorien und Gerüchte um dieses Ereignis, welches durch einen Film im Jahr 2002 noch bekannter gemacht wurde. Seither gilt der Mothman als Vorbote für Katastrophen, Tod und Unheil.
Trotz des Fortleben alter Traditionen und Bräuche ist also auch weiterhin Raum für neue Todessymbole und Legenden. Solange alte Traditionen wie der dia de muertos oder die Festlichkeiten in Peru weiterhin überliefert aus kulturellen Gründen zelebriert werden, besteht keine Gefahr, dass kommerzialisierte Trends wie Halloween den ursprünglichen Sinn der Tradition verdrängen.
Titelbild: © Amelia/stock.Adobe.com