Der letzte Bissen: Die Tradition der Henkersmahlzeit

Henkersmahlzeit
Henkersmahlzeit

“Was soll ich heute essen?“ Eine unbedeutende Frage, so lange sie nicht ein letztes Mal gestellt wird. Die Henkersmahlzeit Verurteilter hingegen erfordert schon etwas mehr Überlegung. Doch was steht überhaupt zur Auswahl? Und wem steht sie zu? Wir ergründen die makabere Tradition.

Vom Abschiedsfest zum Standardprozedere

Als Henkersmahlzeit gilt das letzte Mahl, das zum Tode Verurteilten vor ihrer Hinrichtung gewährt wird. Obwohl es die Tradition weltweit gibt, beziehungsweise gab, handhaben sie die betroffenen Ländern seit jeher sehr unterschiedlich. Auch geschichtlich etablierte sie sich zu verschiedenen Zeitpunkten. Allgemein lässt sich sagen, dass die Tradition des letzten Mahles in Beisein von Freunden und Familie jeweils zeitgleich mit der Todesstrafe einherging. So begann sie in Deutschland und England beispielsweise im Mittelalter. Eine offizielle Todesstrafe, zum Beispiel für Mord und Mordversuch, fand hingegen erst im Jahr 1871 den offiziellen Eintrag in die Gesetzesbücher. Aus dem alten Ägypten liegen hingegen Dokumentationen vor, aus denen ein ähnliches Ritual zu entnehmen ist: Hier galt es als Bestätigung des Todesurteils, wenn der Pharao die Verurteilten Speisen von seinem Tisch kosten lies.

Die morbide Tradition veränderte sich seitdem zusehends und tut es noch. Schon längst geht es nicht mehr nur darum, dass sich Henker und Verurteilte versöhnen. Eine Speise vor der Hinrichtung ist inzwischen viel mehr Gewohnheit als Tradition. Das liegt auch an den Entscheidungen der Verantwortlichen. In den USA, eines der wenigen Länder, das die Todesstrafe noch praktiziert, ist beispielsweise nichts mehr von dem Klischee eines abschließenden Gourmetmahls übrig. In Texas beispielsweise, dem US-Staat mit den statistisch meisten Hinrichtungen, verwehren Offizielle den Häftlingen seit 2019 die Henkersmahlzeit. Ausschlaggebend für diese Entscheidung war das Verhalten eines einzelnen Häftlings: Wie die TZ berichtete, hatte der Straftäter James Byrd sein bestelltes Festmal mit Cheeseburger, Pizza, Fajitas, Grillfleisch und Bier aus Trotz nicht einmal angerührt.

Der Chef der Strafvollzugsbehörde entschied daraufhin, im Einvernehmen mit dem damaligen Senator, die Henkersmahlzeit generell abzuschaffen. Die schlichte Begründung: Die Opfer der Verurteilten hätten das Privileg eines bewussten Abschiedsmahls ebenfalls nicht gehabt.

Todesstrafe: Häufig mehr gelebt als tot

Die Todesstrafe selbst ist – auch durch den Einsatz einiger Menschenrechtsorganisationen – global gesehen auf dem Rückgang. In „nur noch“ 52 Staaten und Gebieten ist sie noch ein anerkanntes Mittel der Rechtssprechung.

Allerdings: Während innerhalb der vergangenen 20 Jahre über 50 Länder die Todesstrafe absetzten, verzeichnet die Statistik der Hinrichtungen – Amnesty International zufolge – über die letzten Jahre einen deutlichen Anstieg um 20 Prozent. Die Ursache liegt in vermehrten Hinrichtungen einiger weniger Länder, wie dem Iran oder Saudi Arabien.

Auf welche Art die Hinrichtung stattfindet, variiert dabei ebenso wie die Gründe dafür. Während in Saudi-Arabien die Enthauptung durch ein Schwert für beispielsweise Ehebruch als rechtmäßig gilt, dominiert in den USA die Giftspritze als geläufigste und zugleich „humanste“ Form der Hinrichtung.

Der elektrische Stuhl, den vor allem Hollywood als übliche Hinrichtungsmethode inszeniert, kommt inzwischen nur noch auf ausdrücklichen Wunsch der Verurteilten zum Einsatz. Weltweit waren die Philippinen (von 1924 bis 1976) das einzige Land, das diesen ebenfalls zur Vollstreckung verwendete. „Aus der Mode“ scheint darüber hinaus jedoch keine bekannte Vollstreckungsmethode zu fallen. Wie Watson berichtet, sind sowohl Steinigung, Erschießung oder Erhängen Methoden der Todesstrafe praktizierenden Länder.

„Happy Meal“

Auf die Henkersmahlzeit hat die Methode der Vollstreckung keinen Einfluss. Auch geht es bei ihr nicht um einen großzügigen letzten Akt der Güte. Vielmehr ist es eine psychologische Strategie, um ein letztes Aufbäumen der Verurteilten zu verhindert. Das gewünschte Essen soll ihn milde stimmen, zeigen, dass er sein Schicksal akzeptiert. Und das, obwohl hier bei weitem nicht jeder Wunsch erfüllt wird. In Florida beispielsweise sind Cheeseburger die beliebteste Wahl.

Der Grund für das Fastfood: Die Henkersmahlzeit unterliegt einem Budget von 40 US-Dollar. Andere Gefängnisse bereiten die letzten Mahlzeiten zudem selbst zu. Was die Gefängnisse nicht vorrätig haben oder umsetzten können, wird nicht serviert.

„Die letzte Zigarette“, Sinnbild des eigenen Ablebens, ist den Verurteilten übrigens ebenso verwehrt wie der Verdauungsschnaps nach der Henkersmahlzeit. Alkohol ist dem hpd zufolge deshalb untersagt, damit der Hinzurichtende seine Strafe in vollem Bewusstsein antreten soll.

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