Arbeit und Psyche: Die Qual der Wahl der Gen Y

Gen Y
Gen Y

Die Gen Y hat eigentlich die beste Ausgangslage, um auf dem Arbeitsmarkt zu bestehen. Dabei wird jedoch häufig der Leistungsdruck unterschätzt. Und über allem die Frage: „Was, wenn ich die falsche Entscheidung treffe?“ Das Resultat: gesundheitliche Risiken.

Die Frage nach dem Warum

Der Begriff Gen Y, oder auch Millennials, bezeichnet alle Geburtenjahrgänge zwischen 1981 und 1996. Also diejenigen, die sich heute in einem Alter zwischen 26 und 42 Jahren befinden. Sie sind zugleich Digital Natives, aufgewachsen mit der ersten Generation diverser Apple Geräte und dennoch vertraut mit dem manuellen Aufspulen von Audiokassetten oder dem VHS Rekorder. Sie wissen, über welche Kanäle sie an Informationen gelangen, beschäftigen sich dadurch jedoch auch intensiv mit Fragen aus Ethik, Politik und der sozialen Verantwortung. Sie gelten zudem als unabhängige Arbeitnehmer, die zwar Einsatz für ihre Herzensprojekte zeigen, jedoch muss das nicht zwangsläufig die Arbeit sein. Es geht allgemein darum, etwas Sinnvolles zu tun.

Diese Affinität zur Work-Life-Balance wiederum bringt ihnen den Ruf als Generation ohne Arbeitsmoral ein. Im Vergleich zu früheren Generationen, wie der Gen X oder den Babyboomern, arbeiten sie im Schnitt rund zwei Wochenstunden weniger und sind ungeduldig, was den beruflichen Werdegang betrifft. Die Möglichkeiten scheinen schier unendlich, wodurch ein Jobwechsel nach rund zwei Jahren mehr Regel als Ausnahme darstellt. Der abwechslungsreiche und aktive Lebensstil bedeutet jedoch zugleich: Millennials haben die höchsten Ausgaben. Das liegt nicht nur an Zeiten hoher Mietpreise und Inflation, sie leisten sich per se mehr. Egal, ob es dabei um Reisen oder teure Hobbys geht. Sie investieren jedoch auch viel in Aktien. Am liebsten: nachhaltig. Das Geld fließt also nicht nur in Rucksackreisen.

Zu viel des Guten

Der Generation Y stehen im Prinzip alle Türen offen. Es herrscht ein arbeitnehmerfreundlicher Markt, Fachkräfte werden gesucht. Zugleich sind Millennials mehrheitlich studiert, haben eine gute Ausbildung. Das Abitur gilt als selbstverständlich. Sie wissen, dass ihnen ein später Renteneintritt bevorsteht, das Arbeitsleben lang ist und durchaus mehr als einen Karriereweg zulässt. Und doch heißt es über sie, sie seien psychisch weniger belastbar als frühere Generationen. Sind „verweichlicht“, wie gerade Ältere es gerne nennen.

Das zutreffende Wort lautet jedoch „Überforderung“. Während die Eheleute im Jahr 1991 beispielsweise noch mit rund 27 Jahren in den Bund der Ehe eingetreten sind, sind sie im Jahr 2021, statistisch gesehen, circa 33 Jahre. Das bedeutet jedoch nicht zwangsläufig, dass sie keine Partnerschaft möchten, oder das Thema entspannt angehen. Eine Onlinedatingplattform erhob, dass die Gen Y durchaus den gesellschaftlichen Druck spürt, Erfolg in der Liebe zu haben. Ü50-Singles hingegen sind bei der Partnersuche emotional gemäßigter. Erstaunlich allerdings: Trotz zahlreicher Singles erfolgten im Jahr 2021 so viele Geburten wie zuletzt 1997.

Die Homeoffice-Kultur als neue Norm lässt zudem die Grenzen zwischen Arbeits- und Privatleben zusehends verschwimmen. Die dauerhafte digitale Präsenz führt zu einer Reizüberflutung. Zu guter Letzt verursachen Themen wie Globalisierung, Klimawandel und Kriege eine Belastung der Psyche. Das Ergebnis laut Psychotherapie Viehhauser:

„Rund ein Fünftel leidet an psychischen Störungen wie zum Beispiel Depression, Angsterkrankungen oder psychosomatischen Erkrankungen.“

Der Instinkt zur Vernunft

Dass die Nachfrage nach Psychotherapie steigt, ist demnach kein Wunder, sondern mehr logische Konsequenz. Ebenso das größer werdende Verlangen nach einer Work-Life-Balance. Und das völlig zu recht, wie Jutta Rump, Leiterin des Instituts für Beschäftigung und Employability an der Hochschule Ludwigshafen, bekräftigt. Um die Anforderungen des Alltags zu bewältigen, sei es entscheidend, flexibel zu sein und mit den eigenen Ressourcen bedacht umzugehen. Denn: Wer damit nicht gut haushaltet, wird früher oder später ein Burnout erleben.

Das schlechte Bild der Gen Y ist ihrer Meinung nach geprägt durch ältere Generationen. Ihnen fällt es schwer nachzuvollziehen, dass den Millennials, denen doch scheinbar die ganze Welt offen steht, schon im Vorstellungsgespräch nach der Work-Life-Balance fragen. Sie selbst hingegen mussten noch zurückstecken und einiges opfern, um die Karriereleiter nach oben zu gelangen und im Job Erfolg zu haben. Die schlechteren Arbeitnehmer sei die Gen Y dadurch jedoch keinesfalls, bekräftigt Rump:

„Millennials arbeiten nicht weniger, sondern anders. Macht eine Arbeit Freude, bietet sie eine Perspektive und sind die Aufgaben nachvollziehbar – dann ist die Leistungsbereitschaft der Generation Y extrem hoch.“

Worin sie dennoch Optimierungsbedarf sieht, ist die Einsicht, auch mal die Zähne zusammenzubeißen. Manche Dinge müssen eben in einem Büroalltag erledigte werden, auch, wenn sie nicht der Selbstverwirklichung dienen.

Titelbild: © kerry estey keith/EyeEm/stock.adobe.com