Studierende haben während der Corona-Pandemie weniger Geld, da viele Nebenjobs wegfallen. Miete zahlen müssen sie aber trotzdem. Viele ziehen deshalb wieder zu ihren Eltern. Was bedeutet das für die Entwicklung der Zielgruppe?
Kein Geld und keine Partys
Ethikratsmitglied Wolfram Henn hat vor Kurzem in den Medien für Aufsehen gesorgt: Er fordert vorrangige Impfungen für Schüler und Studierende. Da die Hochrisikogruppen schon weitgehend geimpft seien, ginge es jetzt um eine sozial begründete Priorisierung. Junge Menschen sind laut Henn durch die Beschränkungen am stärksten beeinträchtigt und brauchen eine Perspektive. „Das ist die nächste Priorisierungsgruppe, die unbedingt kommen muss, bevor eine Impffreigabe für alle erfolgt“, sagt Henn laut RND.
Unbestritten ist, dass die Corona-Krise die Studierenden besonders hart getroffen hat: Da viele für Studenten übliche Nebenjobs in der Gastronomie, der Event-Branche oder dem Einzelhandel angesiedelt sind, brechen den Betroffenen die Einnahmen weg. Anspruch auf Kurzarbeitergeld haben sie in der Regel nicht.
Studierende zieht es ins Hotel Mama
So hatten im Sommersemester 2020 nur etwa 53,2 Prozent der Studierenden einen Nebenjob; das sind etwa zehn Prozent weniger als im Vorjahr. 2017 lag die Quote sogar noch bei 71,1 Prozent. Das sind die Ergebnisse einer Befragung der Studienreihe „Fachkraft 2030“, die die Personalvermittlung Studitemps seit mehreren Jahren durchführt. An der Umfrage haben deutschlandweit 28.000 Studierende teilgenommen.
Gleichzeitig hätten sich die Ausgaben laut Befragung erhöht – und zwar um 26,43 Prozent. Als mögliche Gründe nennt Eckhard Köhn, CEO von Studitemps, im Business Insider Investitionen in eine bessere technische Ausstattung und Internetverbindung. Außerdem sind auch die Mietkosten gestiegen. Laut Studitemps zahlten die jungen Menschen im Sommersemester 2020 im Schnitt 13,54 Euro pro Quadratmeter, das entspricht im Vergleich zum Vorjahr einem Plus von acht Prozent.
Den steigenden Mietkosten wollten wohl einige Studierende entgehen: So lebte jeder Vierte im Sommersemester 2020 bei seinen Eltern. 2019 teilten sich dagegen nur 21,4 Prozent ihr Zuhause noch mit den Eltern. Der Hotel-Mama-Trend hat auch rationale Gründe: Warum sollten Studierende ohne gute Aussichten auf einen Nebenjob jeden Monat die Miete für ein teures Zimmer berappen, wenn sowieso alle Vorlesungen und Seminare digital stattfinden?
Studentin: „Über Schule reden alle“
Dabei geht den Studierenden jedoch viel verloren: „Wir gehen jahrelang zur Schule und freuen uns auf alles, was danach kommt: die Selbstständigkeit, neue Menschen kennenzulernen, auszuziehen, eigene Wege zu entdecken, ein Auslandssemester einzulegen, Praktika zu machen, sich persönlich weiterzuentwickeln. All das geht uns jetzt verloren“, sagt Lys Malin Thomsen in einem Interview mit der Welt.
Die 21-Jährige studiert Theater, Medien und Anglistik in Bayreuth. Zudem engagiert sie sich bei der Jugendstrategie der Bundesregierung. Auch sie spricht über steigende Mietkosten und den Rückzug ins Elternhaus: „Viele mussten sogar zurück zu ihren Eltern ziehen“, wird Thomsen von der Welt zitiert. Sie findet es paradox, dass man über die Lage der Studierenden so wenig hört. „Über Schule reden alle. Aber die Unis kommen bei den Diskussionen über Öffnungen gar nicht vor.“
Einsamkeit im Kinderzimmer
Sie ist nicht die einzige Studierende, die das so sieht. Viele junge Menschen fühlen sich übersehen. Ich habe Verständnis dafür, dass die Unis zu sind. Aber ich würde mir wünschen, dass man wenigstens mal drüber spricht”, sagt die Studentin Luana Partimos in der Hessenschau. Sie hat im vergangenen Wintersemester angefangen, Politikwissenschaften in Mainz zu studieren. Doch der Neuanfang ohne persönlichen Kontakt zu Kommilitonen und Dozenten in einer fremden Stadt fiel ihr sehr schwer: “Das hat mir ziemlich auf die Psyche geschlagen.“
Auch Psychologen berichten, dass junge Menschen vermehrt therapeutische Behandlungen wahrnehmen: „Wir haben in unseren Praxen im Vergleich zum Vorjahr doppelt so viele Anfragen. Besonders die 15- bis 24-Jährigen sind betroffen“, berichtet der Chef der Psychotherapeutenkammer im Norden, Heiko Borchers, bei shz.de.
Psychotherapeutische Angebote für Studierende
Viele Studierende sehen deshalb Politik und auch die Universitäten in der Pflicht, sich während der Pandemie passende Konzepte zu überlegen und eine bessere Betreuung anzubieten.
Student Paul Vogt hat laut RND ein paar Vorschläge: „Grundsätzlich würde ich mir neben einem überlegten Präsenzkonzept, eine Förderung der Hilfsangebote, auch psychotherapeutische Angebote wünschen. Wenn wir schon weiterhin den vollen Semesterbeitrag zahlen sollen, dafür aber eigentlich keine Dienstleistungen erhalten, sollte man das fördern. Ich glaube nicht, dass mich die Corona-Einschränkungen als Student am schlimmsten treffen, aber andere vielleicht schon. Da müssen einfach Hilfen und Angebote her.“
Titelbild: © Iana_kolesnikova/stockAdobe.com