Impfen to go: Die Lösung gegen die Delta-Variante?

Deutschland hat sich die Impf-Strategie in den USA zum Vorbild genommen und bietet in vielen Regionen den Pieks gegen Corona im Stadion, vor Zoos oder Einkaufszentren und mit Lockrabatten an. Wie läuft die Kampagne und was sind die Vor- und Nachteile?

Impfen to go: Mit Speck fängt man Mäuse

„Wer kommt, bekommt“, versprach zum Beispiel der bayerische Ministerpräsident Markus Söder zum Wegfall der Registrierungspflicht. Jeder, der mit Ausweis, Krankenkassenkarte und – wenn vorhanden – Impfpass an einem der mobilen Impforte erscheint, wird gegen das Coronavirus geimpft. Das Ziel der neuen Impf-Angebote: Eine Impfung so leicht wie möglich zu machen, um auch die Menschen zu erreichen, die sich bisher noch nicht zu einem Pieks gegen die Pandemie durchringen konnten. 

Die mobilen Impfteams haben sich deshalb im Laufe des Sommers vor Schwimmbädern, Freizeitparks und Supermärkten aufgestellt. Eine Übersicht bieten die Websites der jeweiligen Landkreise. Einige Fußball-Clubs locken sogar mit Rabatten für diejenigen, die sich bei den Stadien impfen lassen. Der BVB bietet Impfwilligen kosten­los ein Foto mit dem DFB-Pokal und einen Stadionspaziergang an, der VfL Bo­chum hat 18,48 Prozent Rabatt auf Artikel in seinem Fanshop im Angebot.

Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen veranstalteten Aktionstage, bei denen in Freizeitparks, in Zoos und auf Kirmessen geimpft wurde. Auch in Hessen und Bayern sind unter anderem mobile Impfteams unterwegs. Besonderes mediales Aufsehen erregte eine Aktion der thüringischen Stadt Sonneberg, die Ende Juli zur Corona-Impfung eine Bratwurst anbot. Mit Erfolg – die Impfstelle erlebte einen regelrechten Ansturm von Impfwilligen, wie der MDR berichtete.

Eine höhere Herdenimmunität wird angestrebt

Mit diesen Aktionen wollen die Bundesländer die zunehmende Impfmüdigkeit in der Bevölkerung bekämpfen. Denn: Zum Sommerbeginn erschienen immer weniger Menschen in den Impfzentren. Laut RKI lag nun am 20. August der Anteil der Geimpften mit mindestens einer Impfung in der deutschen Bevölkerung bei 63,8 Prozent. Davon sind 58,5 Prozent bereits vollständig geimpft. Diese Zahlen klingen zwar erst einmal sehr gut – immerhin ist mehr als die Hälfte geimpft. 

Jedoch könnten die Virusvarianten zum Problem werden. Die momentan grassierende Delta-Variante geht zum Beispiel mit einer viel höheren Ansteckungsgefahr einher. Durch das erhöhte Ansteckungsrisiko bräuchte Deutschland etwa 80 bis 85 Prozent vollständig Geimpfte statt der vorher angepeilten 65 Prozent, um eine Herdenimmunität zu erreichen, schreibt die Süddeutsche Zeitung.

Deshalb ist jeder, der sich impfen lässt, wichtig. Nur: Nicht jeder kann sich impfen lassen – Kinder unter 12 Jahre zum Beispiel nicht. Bundesbildungsministerin Anja Karliczek fordert deshalb Solidarität gegenüber Kindern und Jugendlichen. „Gerade jetzt, wo die Infektionszahlen wieder ansteigen, sollten sich möglichst alle Erwachsenen mit den Kindern und Jugendlichen solidarisch zeigen, indem nicht geimpfte Personen die Impfangebote wahrnehmen“, zitiert sie die Tagesschau. „Die Solidarität der Erwachsenen wäre ein ganz wichtiger Beitrag, um nach den Sommerferien einen regulären Schulbetrieb zu ermöglichen.“

Impfung gegen Corona: Wirkung und Nebenwirkung

Wie genau kann eine Impfung gegen eine Erkrankung durch das Coronavirus helfen? Eine Untersuchung im Fachmagazin Molecular Therapy, bei der die Daten von 194.000 Teilnehmern aus Zulassungsstudien für die Impfstoffe ausgewertet wurden, legt nahe, dass die Wirksamkeit der mRNA-Vakzine (etwa Biotech, Moderna) bei 94,29 Prozent liegt. Vektorbasierte Impfstoffe (Astra Zeneca, Johnson & Johnson) erreichen 79,5 Prozent. Die Zahlen besagen konkret, dass eine beispielsweise mit einem mRNA-Vakzin geimpfte Person eine um 94,29 Prozent geringere Wahrscheinlichkeit hat, an Corona zu erkranken. Die Impfstoffe schützen ebenso vor der Delta-Variante.

Mehr als zwei Drittel der Geimpften leiden nach dem Pieks an leichten Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen, Müdigkeit und Schmerzen an der Einstichstelle. Laut Süddeutscher Zeitung kommen Nebenwirkungen sehr selten vor: Auf eine Million Impfdosen würden demnach 21 bis 75 Thrombosen oder Embolien vorkommen. Diese werden vermehrt im Zusammenhang mit einer Astra Zeneca-Impfung beobachtet.

Ist Impfen to go also die Lösung im Kampf gegen die Pandemie? Einerseits nehmen viele Menschen laut unterschiedlichen Medienberichten die Angebote wahr, andererseits warnen manche Experten bei diesem Modell zur Vorsicht. So sagte Beatrix Zurek, die in München das größte kommunale Gesundheitsamt Deutschlands leitet, in einem Interview mit der Zeit: „Ich finde den Ausdruck „to go“ etwas schwierig. Eine Impfung ist immer noch ein medizinischer Akt. Wenn ich geimpft werde, kann ich mir nicht danach gleich die nächste Maß Bier genehmigen.“ Es ginge darum, die Menschen an öffentlichen Plätzen abzuholen und ihnen zugleich einen Platz anzubieten, „wo man seriös berät und einen Ruheraum hat.“

Titelbild: ©Zamrznuti Tonovi/stock.adobe.com