Der Todcast: „Das Leben ist nur kostbar weil es endlich ist“

Alexandra Kossowski

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m Podcast namens „Der Todcast“ dreht sich alles um das Thema Sterben, Tabus, den Tod und aber auch das Leben. Alexandra Kossowski, Trauerbegleiterin von „The Funeralists“, Mutmacherin und Tabubrecherin aus Berlin spricht mit den Gästen nicht nur über angenehme Dinge. Im Interview verrät sie, wie sie die Themen aus der Tabuzone holen will. Denn: Sterben müssen wir schließlich alle einmal.

Redaktion: Der „Todcast“ ist Dein Podcast zu den Themen Tod, Leben und Tabus. Wie kam es dazu?

Alexandra Kossowski: 2019 habe ich in den sozialen Medien einen Themenmonat zu Sterneneltern gemacht und viele Anfragen erhalten von Sternenmüttern, die über ihre verstorbenen Kinder sprechen wollten. Daraus sind Aufnahmen entstanden und letztendlich dann auch der Podcast.

Redaktion: Was inspiriert dich zu den Themen des Podcasts?

Alexandra Kossowski: Ich möchte zeigen, dass es möglich ist, über alles offen zu reden. Auch Tabus im Tabu, wie bspw. Sternenkinder, Suizid oder auch Sex in der Palliativpflege. Ich möchte Menschen anregen, selbst über ihre Themen zu reden, denn erst, wenn das Schweigen gebrochen ist, können Tabus aufgelöst werden.

Redaktion: Was beschäftigt die Menschen mehr: Der Tod oder das Leben?

Alexandra Kossowski: Auf den ersten Blick würden wir wahrscheinlich sagen: Das Leben. Aber das Leben ist meiner Meinung nach nur kostbar, weil es endlich ist. Dadurch sind wir automatisch mit dem Sterben verwoben. Beides existiert miteinander, niemals getrennt. Allerdings wird der Tod oft noch in der Gesellschaft verdrängt, obwohl er uns alle betrifft, als Zugehörige und als Sterbende.

Redaktion: Das Thema Tod gilt häufig noch als Tabuthema. Warum ist das so und was können wir dagegen tun?

Alexandra Kossowski: Wir leben derzeit in einer Gesellschaft, die Jugend würdigt und das Altern und die Älteren verdrängt.

„Es geht immer darum, zu funktionieren und zu leisten. Dazu passen Tod und Sterben nicht.“

Gleichzeitig ist die Hospiz- und Palliativbewegung noch sehr jung, so dass sich das Bewusstsein für Begleitung am Lebensende erst langsam bildet.
Darüber zu sprechen und Aufklärung zu betreiben, ist meiner Meinung nach das Wichtigste.

Redaktion: In Deinem Podcast greifst du auch Themen wie „Sex in der Palliativpflege“ auf. Wie nehmen die Hörer diese kritischen Themen auf und was inspiriert dich zu solchen Themen?

Alexandra Kossowski: Die größten Tabus in unserem Leben haben immer mit ganz natürlichen Gefühlen und Bedürfnissen zu tun, wie auch Sex. Hier ist vieles schambehaftet und muss hinter verschlossenen Türen stattfinden. Gleichzeitig betrifft es uns alle. Ich möchte zeigen, dass wir ganz normale, offene Gespräche über diese Themen führen können. Wir alle haben ähnliche Fragen und fehlendes Wissen in manchen Bereichen. Dieses fehlende Wissen kann durch Offenheit geklärt werden.

Redaktion: Reden wir über Deinen Job als Trauerbegleiterin. Was hat dich dazu motiviert, „The Funeralist“ zu gründen und Trauerbegleiterin zu werden?

Alexandra Kossowski: Ich habe als ehrenamtliche Mitarbeiterin in einem Hospiz angefangen und war beeindruckt von der Klarheit, der Ruhe und dem Fokus, den die Gäste am Ende ihres Lebens haben. Ich wollte dieses Gefühl in meinen Alltag bringen und habe mich entschieden, mit Themen wie Tod, Trauer und Sterben zu arbeiten.

Ich frage mich ganz oft, „Wenn ich nur noch ein paar Tage zu leben hätte, wäre das dann wichtig?“ und wenn die Antwort „Nein“ lautet, konzentriere ich mich auf etwas anderes.

Redaktion: Ihr habt es Euch zur Aufgabe gemacht, das Thema Tod aus der Tabuzone zu holen. Inwieweit habt Ihr schon erste Erfolge erzielt und wie genau sieht der Weg bis dahin noch aus?

Alexandra Kossowski: Wir haben viel positives Feedback zu unserem bunten und fröhlichen Internetauftritt erhalten. Viele wünschen sich auch am Lebensende Freude und Modernität.
Dass wir etwas anders sind, beweist auch unser in Zukunft geplantes Projekt, die „Vorsorgepartys“. Bei den Partys kommen Menschen mit ihren Liebsten in entspannter Atmosphäre zusammen, um über ihre Wünsche am Lebensende zu sprechen. Das kann eine große Entlastung für alle Angehörigen sein. Aufklärung ist uns dabei sehr wichtig.

Redaktion: Oft wissen wir nicht, wie mit Trauernden umgegangen werden soll. Wie ist der richtige Umgang mit Trauer und Trauernden, was haben Sie für Erfahrungen gemacht?

Alexandra Kossowski: Es ist wichtig, sich nicht von der eigenen Hilflosigkeit in Floskeln leiten zu lassen. Trauernde reagieren auch meist allergisch auf Ratschläge. Manchmal ist das Umfeld sprachlos, hier könnte es helfen, genau dies auszudrücken: „Ich weiß nicht, was ich sagen soll, aber ich bin da und höre zu“. Auch Dienste im Alltag abzunehmen sind oftmals viel mehr gebraucht und geschätzt, als ein Ratschlag. Offen auf Trauernde zuzugehen und nicht zu erwarten, dass der Trauernde um Hilfe bittet, wenn er sie braucht, ist ebenfalls sehr wichtig. Hier ist ein bisschen Selbstlosigkeit geboten, auch mehrmals nachzufragen ohne Reaktion.

Redaktion: Inwieweit spielt in Ihrer Arbeit auch die Vorsorge in Bezug auf Versicherungen eine Rolle?

Alexandra Kossowski: Wir verweisen Menschen immer auf die Option, eine Versicherung abzuschließen, die im Ernstfall finanziell absichern kann. Gerade, wenn ein Lebenspartner verstirbt, ist die trauernde Person oft finanziell nicht abgesichert oder steht vor einer Herausforderung. Versicherungen können hier viel Last abnehmen, zumindest finanziell.

Redaktion: Wo sind Ihrer Meinung nach entsprechende Defizite im Vorsorgebereich?

Alexandra Kossowski: Menschen sagen: „Es ist egal, was mit mir passiert, wenn ich tot bin“. Das verstehen wir. Jedoch sind sich viele überhaupt nicht bewusst, welche Kosten, Umstände, Notwendigkeiten auf Zugehörige nach einem Todesfall zukommen. Das begreifen viele erst, wenn der Fall eingetreten ist und wir versuchen, hier so gut es geht aufzuklären.

Titelbild: © Alexandra Kossowski

Über unsere Expertin

Alexandra Kossowski

Alexandra Kossowski ist Trauercoach bei „The Funeralists“ und betreibt das Podcast-Format „Todcast