Über den Tod spricht man nicht, heißt es. Dabei ist eine gute Absicherung für Angehörige das A und O. Wir sprechen mit der Kommunikationsexpertin Daniela Ben Said darüber, wie Vermittler im Kundengespräch auch bei schwierigen Themen den richtigen Ton treffen.
„Prinzipiell kann jeder alles lernen“
Rednerin und Coach Daniela Ben Said hat Psychologie studiert, 2008 den Coaching Award gewonnen und mehrere Sachbücher geschrieben. Mit „Quid agis“ hat sie 1998 ein eigenes Weiterbildungsinstitut gegründet. Im Interview spricht sie über Empathie in der Vermittlung und welchen entscheidenen Unterschied sie macht.
Redaktion: Tod ist ein Tabuthema. Außerdem setzen sich viele Menschen nicht gerne damit auseinander. Wie kann ich in einem Beratungsgespräch den richtigen Zugang zu diesem Thema ebnen?
Daniela Ben Said: Meine Empfehlung ist zuallererst, bei sich selbst anzufangen und an der inneren Haltung zu arbeiten. Wenn ich herum eiere, dann fällt das dem Kunden auf. Da kommen dann die Spiegelneuronen zum Einsatz: Das Gegenüber merkt, wie ich mich wirklich fühle – nämlich unwohl. Wichtig ist, als Berater die Einstellung zu ändern und den Tod eher als Verbündeten zu sehen, der zeigt, wie wertvoll die Zeit und das Leben ist.
Redaktion: Wie würden Sie konkret in das Gespräch einsteigen?
Daniela Ben Said: Sie können sich gute Fragen überlegen. Zum Beispiel: ‚Was sind Ihre großen Lebensträume, was ist ihr wichtigster Wunsch im Leben?‘ Sie schenken mir gerade ihre wertvolle Zeit, lassen Sie uns sie sinnvoll nutzen und uns überlegen, wie Sie diese gut gestalten können.
Das Thema Absicherung kann man auch offen absprechen: Ich habe zum Beispiel 70 Tiere, die will ich gerettet wissen, wenn etwas passiert. Wir können den Tod durch Verschweigen nicht verschwinden lassen. Wenn man den Tod aber selbst offen anspricht, dann nimmt man ihm den Schrecken. Jeder hat jemanden oder etwas, das er absichern will.
Redaktion: Kann man Fingerspitzengefühl lernen?
Daniela Ben Said: Prinzipiell kann jeder alles lernen. Bei diesem Thema ist es wichtig, den Willen mitzubringen, sich auf andere einzustellen und sich selbst zurückzunehmen. Ich muss einen Perspektivenwechsel einnehmen können und mir dabei klar machen: Auch wenn ich etwas aus der Sicht des Anderen gut finde, heißt das nicht, dass der das genauso empfindet.
Der Fehler, den Vermittler oft machen, ist, dass sie zu sehr aus ihrer eigenen Sicht an die Thematiken herangehen. Ihnen sitzt aber ein eigenständiges Individuum gegenüber, das möglicherweise andere Vorstellungen hat als sie.
Fehler aus Unwissenheit gehören dazu – allerdings sollte man nie unvorbereitet in ein Gespräch gehen.
Redaktion: Wie kann ein Vermittler reagieren, wenn er doch mal in ein Fettnäpfchen getreten ist?
Daniela Ben Said: Wenn Sie jemandem auf den Schlips getreten sind, ist es wichtig, den Mut zu haben, sich zu entschuldigen und zu sagen: Was ist jetzt für Sie das Richtige? Was kann ich tun, damit wir trotzdem ein gutes Gespräch haben können?’ Fragen Sie sich: ‚Was braucht der Kunde jetzt, damit er sich wieder wohlfühlt?‘ Fehler aus Unwissenheit gehören dazu – allerdings sollte man nie unvorbereitet in ein Gespräch gehen.
Redaktion: Sie führen Horsecoachings durch. Können wir von den Tieren emphatisches Verhalten lernen?
Daniela Ben Said: Wir machen oft den Fehler, Tiere zu vermenschlichen. Menschen denken sehr komplex und analysieren, Tiere hingegen interpretieren nicht. Wenn zum Beispiel unser Gegenüber beim Gespräch die Stirn in Falten legt, dann interpretieren wir das. Wir denken vielleicht, er mag uns oder das, was wir sagen, nicht. Ein Tier würde dagegen denken: Er zieht eben die Stirn in Falten.
‚Was hilft Ihnen jetzt am meisten? Brauchen Sie Ruhe, brauchen Sie Fakten?’ Manche Menschen wollen reden, andere wollen abgelenkt werden.
Von den Tieren können wir lernen, uns erst einmal zu ‚beschnuppern‘ und eher wie ein Forscher heranzugehen. Ich kann ja einfach fragen: ‘Ich sehe, Sie ziehen Ihre Stirn in Falten. Was halten Sie wirklich von dem Thema, sind wir nicht mehr d’accord?’ Vielleicht hat der Gegenüber ja auch nur Kopfschmerzen.
Redaktion: Der Versicherungsfall ist eingetreten – die Hinterbliebenen stehen möglicherweise noch unter Schock. Wie eröffnet man das Gespräch, wenn man harte finanzielle Themen ansprechen muss?
Daniela Ben Said: Mit Tod und Verlust geht jeder Mensch anders um. Natürlich sollte man immer zuerst sein Beileid bekunden und dann fragen: ‚Was hilft Ihnen jetzt am meisten? Brauchen Sie Ruhe, brauchen Sie Fakten?’ Manche Menschen wollen reden, andere wollen abgelenkt werden. Dann ist es meine Aufgabe darauf einzugehen, also zuzuhören oder abzulenken.
Redaktion: Gibt es bei der digitalen Beratung andere Dinge zu beachten als bei einem analogen Treffen?
Daniela Ben Said: Auch dort geht es um die Kommunikation von Mensch zu Mensch. Allerdings sollte man bedenken, dass Menschen digital viel schneller abgelenkt sind als bei einem analogen Treffen. Am besten Störfaktoren ausblenden und Präsenz zeigen. Bei sensiblen Themen auf den Hintergrund achten – ein witziges Bild könnte dann unter Umständen pietätlos wirken.
Redaktion: Wie kann ich dieses Thema schriftlich ansprechen, zum Beispiel per E-Mail-Newsletter oder über Social Media?
Daniela Ben Said: Ich finde die Idee sehr gut, darüber zu schreiben. Man kann sich dann das Wording und die Herangehensweise in Ruhe überlegen. Zum Beispiel kann man fragen: ‘Hier ist meine Bucketliste. Was steht auf Ihrer Bucketliste? Haben Sie sich dazu schon Gedanken gemacht? Und wo wir schon beim Thema sind, ist im Todesfall alles für sie geregelt?’
Es ist gut, wenn man vorsichtig positiv an das Thema rangeht. Jeder sollte wissen, dass der Tod zum Leben gehört. Und dann ist es ein gutes Gefühl, dass man alles geregelt hat für den Fall der Fälle. Das kann man super aufschreiben oder als Video auf Social Media posten.
Titelbild: ©Daniela Ben Said