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as Klettern hat sich in den vergangenen Jahren vom Individual- zum Breitensport entwickelt. Der große Zuspruch führte vor allem zu mehr Kletter- und Boulderhallen, die ursprünglich als Übungsplätze für Outdoorkletterer dienten. Zum Vergleich: Während es im Jahr 1989 nur 20 Kletteranlagen gab, nutzen rund die rund 500.000 Sportkletterer – Tendenz steigend – inzwischen etwa 500 Kletteranlagen deutschlandweit. Damit ist das Sportklettern eine der von DAV-Mitgliedern am intensivsten betriebene Sportart. Kletterinnen und Kletterer gehen an durchschnittlich 29,2 Tagen pro Jahr in die Kletterhalle. Zum Vergleich: Beim Sportklettern outdoor sind es 15,3 Tage, beim Alpinen Klettern 5,4 Tage. Ob hierbei ein hohes Risiko besteht und wie sich dieses im Vergleich zum Outdoorklettern verhält, verrät uns Julia Janotte, Risikoforscherin des DAV.
Redaktion: Frau Janotte, was genau ist Ihre Aufgabe als Sicherheitsforscherin beim DAV?
Julia Janotte: Das oberstes Ziel des DAV ist, den Bergsport so sicher wie nötig und auch möglich zu gestalten. Wir wollen Berg- und Kletterunfälle minimieren und den Bergsportlern möglichst viel Know-how vermitteln, damit es gar nicht erst zu Risiken kommt. Das erstreckt sich über alle sicherheitsrelevanten Themen im Bergsport – Winter wie Sommer. Wir führen beispielsweise Materialuntersuchungen durch oder betreiben Verhaltensforschung, um zu eruieren, wie es zu bestimmten Fehlern oder Unfällen kommt.
Redaktion: Wie sieht die Materialforschung denn aus?
Julia Janotte: Rein auf Grund Materialversagens ereignen sich nur selten Unfälle. Sondern eher durch bestimmte Verhaltensweisen. Trotzdem testen wir beispielsweise, wie sich starke UV-Strahlung dauerhaft auf Material und dessen Belastbarkeit auswirkt. Sollte sich ein Unfall tatsächlich durch Materialversagen ereignen, untersuchen wir den Vorfall natürlich genauer.
Redaktion: Und woher stammen entsprechende Unfallstatistiken?
Julia Janotte: Wir bekommen alle Bergunfälle von unserer DAV-Mitgliederversicherung gemeldet, sobald deren Leistung in Anspruch genommen wird. Auch die Kletterhallen melden uns ihre Unfälle. Zudem erhalten wir oft Einzelanfragen innerhalb der Bergsportbranche, in der wir sehr gut vernetzt sind.
Redaktion: Welche Arten des Klettern gibt es?
Julia Janotte: Es gibt im Grunde vier Disziplinen, genannt Spielarten: Bouldern, also das Klettern in Absprunghöhe, Sportklettern mit Seil indoor und outdoor sowie Alpinklettern. Daneben gibt es Spezialisierungen wie Eisklettern.
Redaktion: Inwieweit bietet der DAV hier Kurse an?
Julia Janotte: Wir haben ein breites Angebot an Kursen und Ausbildungen. Wir bilden Trainer, Übungsleiter und Fachübungsleiter aus, während es zudem in den Kletterhallen eigentlich für jeden Bereich Kurse gibt. Dazu gehören auch Übergangskurse, um den Sprung von der Halle an den Fels zu schaffen.
Redaktion: Wer ist dafür die Zielgruppe und wie hat sie sich in den letzten Jahren verändert?
Julia Janotte: Das ist ganz unterschiedlich. Grundsätzlich kann von jung bis alt jeder teilnehmen. Das Angebot unterscheidet sich vor allem in den Kategorien für Anfänger bis Fortgeschrittene. Die Boulderhallen gleichen inzwischen ja teilweise schon eher einem Fitnessstudio. Viele Menschen nutzen es als Gesundheitssport, da es den gesamten Körper trainiert. Es steht nicht mehr der Abenteuergedanke im Vordergrund. Nicht jeder, der in der Halle klettert, möchte auch zwangsläufig in die Berge. Uns ist wichtig, dass die Kletterer entsprechende Hilfestellung erfahren.
Redaktion: Haben Hallen oder der Sport per se mehr Zuspruch gefunden?
Julia Janotte: Speziell im vergangenen Jahr waren die Hallen coronabedingt natürlich weniger gut besucht. Hier hat mehr das Wandern geboomt. Aber insgesamt kann man sagen, dass der Klettersport viel mehr Zuspruch erfahren hat. Früher war es eher eine Sportart für Exoten und hat sich inzwischen zur Breitensportart etabliert. Wir sehen, dass die Zahlen steigen.
Wie die Unfallstatistik aussieht, erfahren Interessierte im zweiten Teil des Interviews.
Titelbild: © Julia Janotte