Deutsche erben immer mehr. Bis 2024 soll das gesammelte Erbe sich auf über 3,1 Billionen Euro summieren. Viele Erbschaften enthalten mittlerweile Immobilien. Allerdings besteht bei den Erben oftmals ein großer Beratungsbedarf.
Erben in Deutschland
Wie sieht die deutsche Erbstruktur aus? Damit hat sich die Studie „Erben in Deutschland 2015 – 24: Volumen, Verteilung und Verwendung“ von Dr. Reiner Braun, empirica ag, im Auftrag des Deutschen Instituts für Altersvorsorge (DIA) befasst. Eines der Ergebnisse: Im Zeitraum zwischen 2015 bis 2024 enthält fast jede zweite generationenübergreifende Erbschaft Immobilien, deren Wert sich auf 0,9 Billionen Euro aufsummiert. Im Schnitt werden pro Erbfall 363.000 Euro vererbt. Doch was tun mit dem Geld? Dazu haben wir mit dem Generationenberater Steffen Moser gesprochen.
Redaktion: Herr Moser, worauf gilt es besonders zu achten, wenn junge Leute ein großes Erbe antreten?
Steffen Moser: Hier gibt es mehrere Punkte, auf die man achten sollte und darf. Häufig sind gerade jüngere Menschen überrascht, wenn sie plötzlich die Information über ein Erbe erhalten.
Erbe kann vieles sein: Von einem Giro-, oder Depotkonto oder Bargeld, über Hausratgegenstände, Wertgegenstände (Münzsammlungen, Oldtimer, Aktien, Gemälde, und vieles mehr) bis hin zu Unternehmensbeteiligungen und Immobilien (entweder ganz oder anteilig). Weiterhin können sich Policen, Darlehensverpflichtungen oder weitere Verbindlichkeiten in der Erbmasse befinden.
Wichtig ist, sich einen Überblick darüber zu verschaffen, was man erbt, bevor man das Erbe auch wirklich antritt. Sind es beispielsweise einzeln definierte Sachen oder ist es ein Teil vom Gesamtvermögen des Verstorbenen? Dies ist in der Regel der Fall, wenn es kein Testament gibt und die gesetzliche Erbfolge greift. Ebenfalls wichtig ist die Frage danach, ob man Alleinerbe ist oder sich in einer Erbengemeinschaft befindet. Die Erben sollten außerdem prüfen, in welcher Verbindung der Erbe zum Verstorbenen stand – das hat vor allem einen großen Einfluss auf die Steuer.
„Eine wichtige Stolperfalle ist, dass ein Erbe nicht weiß, was er eigentlich alles erbt.“
Redaktion: Welche Stolperfallen und Fehler können auftreten? Wie können Vermittler junge Kunden davor schützen?
Steffen Moser: Eine wichtige Stolperfalle ist, dass ein Erbe nicht weiß, was er eigentlich alles erbt. Gerade, wenn er Teil einer Erbengemeinschaft ist und sich dann mit allen anderen einig werden muss, wird es teilweise schwierig. Tritt er das Erbe an und es sind keine durch Testament oder Vermächtnis klar benannten Sachen, erbt man eben nicht nur „positives“ Vermögen, sondern auch gegebenenfalls die damit verbundenen Verbindlichkeiten. Das ist ein Punkt, der häufig zu Überraschungen führt.
Auch das Thema Erbschaftssteuer stellt hin und wieder eine Stolperfalle dar. Grundsätzlich ist jedes Erbe steuerpflichtig, aber ob auch gezahlt werden muss, hängt maßgeblich davon ab, wie hoch das Erbe und der steuerliche Freibetrag sind. Dabei kommt es darauf an, in welcher Verbindung man zum Verstorbenen stand.
Freibeträge können zwischen 20.000 Euro und 400.000 Euro liegen. Versteuert werden muss immer der Betrag, der über den Freibeträgen liegt. Hier kann der Steuersatz zwischen sieben und 50 Prozent liegen. Wenn die Erbschaft durch ein Testament oder Vermächtnis zu Stande kommt, können gegebenenfalls auch noch Pflichtteilansprüche von anderen Angehörigen des Verstorbenen geltend gemacht werden.
„Wichtig zu beachten ist, dass die Erbschaftssteuer sofort fällig ist.“
Redaktion: Noch ein Wort zur Erbschaftssteuer: Worauf müssen junge Kunden hier besonders achten?
Steffen Moser: Wichtig zu beachten ist, dass die Erbschaftssteuer sofort fällig ist. Kunden müssen mit ihr schon dann rechnen, wenn sie noch darüber nachdenken, was sie mit dem geerbten Vermögen anstellen. Wie oben beschrieben, ist die Höhe der Erbschaftssteuer davon abhängig, in welchem Verhältnis man zum Erblasser stand und wie hoch das geerbte Vermögen ist. Wenn es im Vorfeld möglich ist, mit dem späteren Erblasser zu sprechen und offen dies auch zu betrachten, können Absicherungen getroffen werden, um Geld auch zur Verfügung zu haben, wenn das sonstige Erbe beispielsweise aus Immobilien oder -anteilen besteht.
Redaktion: Und welche Finanzprodukte können in diesem Rahmen helfen?
Steffen Moser: Dies kann tatsächlich sehr unterschiedlich sein. Eine Option ist die klassische Risikolebensversicherung in entsprechender Konstellation zwischen Versicherungsnehmer, versicherter Person, Bezugsberechtigtem und Beitragszahler. Dies ist meist dann das passende Produkt, wenn man mit kleinen Beiträgen dafür sorgen möchte, anfallende Kosten (Steuer, Pflichtteilansprüche, Verbindlichkeiten) zu begleichen, um über das eigentliche Erbe dann frei verfügen zu können. Wenn der Erblasser andere Personen (beispielsweise Partner, Kinder, Enkel) finanziell versorgt wissen möchte, ist auch eine Risikolebensversicherung eine Möglichkeit, dies mit kleinen Beiträgen zu erreichen.
Die nächste Option ist eine Sterbegeldversicherung. Dabei handelt es sich um ein Produkt, welches sich lohnt einzubinden, um anfallende Bestattungskosten aus zu finanzieren und damit das Erbe nicht zu belasten.
Wenn Eltern oder Großeltern langfristig planen, Vermögen zu übertragen, sind diverse Sparprodukte geeignet. Die Optionen sind mannigfaltig:
- Sparkonto
- Depotkonto
- Über fondsgebundenen Rentenversicherungen in der Schicht 3
- Immobilien
Auch die Überschreibung der bestehenden Immobilien zu Lebzeiten kann eine passende Form sein, um Vermögenswerte gezielt zu übertragen.
Im zweiten Teil des Interviews geht Steffen Moser darauf ein, wie Eltern und Großeltern dafür sorgen können, dass es nicht zu Verwirrung oder gar Erbstreit kommt.
Titelbild & Beitragsbild: © Fotoliebe_AnjaGottschalk