Tag der Apotheke: „Ich bin mit Herz und Verstand Apotheker“

Während der Pandemie hat sich gezeigt, welche wichtige Rolle Apotheker in der Gesundheitsversorgung spielen. Der Alltag und die Anforderungen an den Beruf haben sich dadurch geändert. Wir haben mit zwei Apothekern gesprochen.

Wie geht es den Apotheken in Deutschland?

Der 7. Juni soll als Tag der Apotheke über die Funktion und Aufgaben der beinahe 19.000 Apotheken vor Ort im deutschen Gesundheitssystem informieren. Denn: Nach Angaben der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) geht die Zahl der Apotheken weiter zurück. 2020 gab es in Deutschland 322 weniger Betriebe als 2019 – womit die Zahl der Apotheken das dritte Jahr in Folge um mehr als 300 gesunken ist.

Zum Vergleich: Deutschland liegt mit 23 Apotheken pro 100.000 Einwohnern deutlich unter dem EU-Durchschnitt von 32 auf 100.000 Einwohnern. Das im vergangenen Jahr auf den Weg gebrachte Vor-Ort-Apothekenstärkungsgesetz soll die Apotheken gegen die Konkurrenz aus dem Netz schützen – mit Rabattverboten für ausländische Arzneimittelversender bei verschreibungspflichtigen Medikamenten.

Ein vielseitiger Beruf im ständigen Wandel

Apotheken sind nun durch die Pandemie wieder mehr in den Fokus gerückt. Dr. Peter Sandmann, Apotheker und Inhaber der Nauplia-Apotheken in München, und Rebekka Niess, Apothekerin im Geschäftsbereich Pharmazie & Wissenschaft bei der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg, sprechen im Interview über ihren Beruf.

Redaktion: Wieso haben Sie sich entschieden, Apotheker zu werden?

Rebekka Niess: Ich wollte schon immer einen Beruf erlernen, bei dem ich mit Menschen zu tun habe und ihnen helfen kann. Nach einem Schulpraktikum in einer öffentlichen Apotheke war ich mir dann sicher, dass ich auch Apothekerin werden möchte. Das Wissen rund um Physiologie, Anatomie und vor allem natürlich Arzneimittel und ihre Wirkungen faszinierte mich. Zudem lagen mir schon während der Schulzeit die naturwissenschaftlichen Fächer mehr als die Geisteswissenschaftlichen. Das kommt einem fürs Pharmaziestudium dann sehr entgegen.

Redaktion: Was gefällt Ihnen an Ihrem Beruf am besten? Was empfinden Sie eher als Nachteil?

Peter Sandmann: Am herausragendsten ist meiner Meinung nach, wie vielschichtig und spannend der Beruf ist. Man ist nicht auf eine spezifische Fachrichtung festgelegt, sondern lernt etwas über Botanik, Technologie bis hin zu klinischer Pharmakologie. Angehenden Apothekern steht dann die Welt offen: Sie können in der Industrie, im Krankenhaus oder eben in der Apotheke arbeiten. Und selbst Apotheken gibt es in sehr unterschiedlichen Ausführungen: Manche sind auf Krebsmedikamente spezialisiert, andere wiederum organisieren das Medikationsmanagement für Heime.

Nachteile fallen mir nicht ein – ich bin mit Herz und Verstand Apotheker. Ein kleiner Nachteil ist vielleicht, dass die Gehälter in der Branche im Vergleich niedriger ausfallen. Es gibt aber auch besser bezahlte Jobs, wenn man sich gut umsieht.

Redaktion: Hat sich das Berufsbild des Apothekers in den vergangenen Jahren gewandelt?

Rebekka Niess: Ja, selbst in den letzten sechs Jahren, in denen ich Praxiserfahrung sammeln konnte, hat sich einiges getan. Faktoren wie Digitalisierung und das Einhalten vieler Regularien spielen hier sicher eine große Rolle.

Peter Sandmann: Ich arbeite seit 20 Jahren als Apotheker und muss sagen, dass sich einiges geändert hat. Durch die Corona-Krise gab es noch einmal einen deutlichen Anstoß, die Branche schneller zu digitalisieren. Außerdem sind über die vergangenen Jahre hinweg die heilberuflichen Anforderungen gestiegen, früher standen eher kaufmännische Kenntnisse im Vordergrund. Auch da hat die Pandemie die Entwicklung weiter vorangetrieben: Apotheker führen nicht nur Corona-Tests durch, sondern können in einigen Modellregionen jetzt auch Impfungen verabreichen. Wir sind in der Bewältigung der Krise fest involviert und dafür braucht es ein fachlich gehobenes Niveau.

Redaktion: Sie haben es ja schon erwähnt: Apotheker und Apothekerinnen spielen bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie eine zentrale Rolle. Wie beeinflusst die Corona-Pandemie Ihren Arbeitsalltag?

Rebekka Niess: Wie in vielen Bereichen auch, erschweren die Hygienemaßnahmen wie Maske tragen und Trennwände die Kommunikation mit den Kunden und Kundinnen. Das führt zu einem sehr hohen Geräuschpegel in der Apotheke, wo einem am Abend schon mal der Kopf brummt. Neben den bisherigen Beratungsthemen kommen nun Beratungen zur Covid-19-Impfung hinzu. Kreativität und Flexibilität ist mehr gefragt denn je. Denn Maskenvergabe, Impfstoffbestellung und -lieferung für Arztpraxen sowie Antigentest-Angebote muss alles on top organisiert werden.

Peter Sandmann: Es gab einschneidende Maßnahmen: Wir tragen durchgehend FFP2-Masken und desinfizieren unsere Apotheken am laufenden Band. Das ist in einem Beruf, der viel mit Menschen zu tun hat, nicht so einfach. Wir haben hauptsächlich kranke und ältere Kunden und wir wollen ihnen natürlich das Gefühl geben, dass sie gut betreut werden. Vor allem in der Anfangsphase, in der noch viel Unsicherheit – auch bei den Mitarbeitern – über die Ansteckungswege herrschte.

Redaktion: Glauben Sie, dass ein paar der Änderungen, die die Pandemie mit sich gebracht hat, bestehen bleiben?

Peter Sandmann: Ich gehe davon aus, dass das Tragen von Masken für Menschen mit Erkältungserscheinungen bleiben wird. Ich fände es jedenfalls begrüßenswert, denn es würde die Gefahr von Ansteckungen stark minimieren. Aber sonst werden sich viele Maßnahmen auf die Dauer nicht halten, jedenfalls nicht in den Läden. Wir dürfen zum Beispiel nur eine sehr beschränkte Patientenzahl in die Apotheken lassen, was dazu führt, dass bis zu 30 Menschen draußen warten müssen. Das wird sich sicher wieder ändern.

Rebekka Niess: Definitiv. In Bereichen, wo die Pandemie die Digitalisierung schneller vorangetrieben hat, weil Lösungen gefunden werden mussten, sind diese für die Zukunft schon vorhanden. Ich denke auch an den Ausbau des Botendienstes in vielen Apotheken. Wo Homeoffice ermöglicht wurde, wird es sicher auch in Zukunft mehr Homeoffice geben.

Redaktion: Inwiefern spielt die Digitalisierung – Stichwort Online-Apotheken – eine Rolle für Sie?

Rebekka Niess: Online-Apotheken spielen für mich persönlich keine Rolle. Ich unterstütze die Apotheken vor Ort. Von Patienten und Patientinnen hört man natürlich immer häufiger: Das bekomme ich online aber günstiger. Da können wir nur entgegenhalten: Bei uns erhalten Sie dafür eine ausführliche und qualitative Beratung dazu und wir liefern ebenfalls bis zur Haustüre. Vielen Kunden und Kundinnen ist das wichtiger als ein günstigerer Preis online.

Redaktion: Was war das schönste Erlebnis, das Ihnen in Ihrem Beruf passiert ist?

Peter Sandmann: Es ist immer toll, wenn man den Menschen helfen kann, das unterscheidet uns nicht von den Ärzten. Zum Beispiel hatte ich vergangenen Samstag einen Patienten, dem gerade Asthma diagnostiziert wurde, und der sehr verunsichert war. Ich habe ihm gezeigt, wie das Asthma-Spray funktioniert und versucht, ihm die Angst zu nehmen. Er war dann auch sichtlich erleichtert und glücklich, als er wieder gegangen ist. Auch wenn ich Ärzten helfen kann, für multimorbide Patienten die passende Medikation zu finden, dann ist das ein sehr gutes Gefühl.

Bilder: © Udo Kroener/stockAdobe.com; © Rebekka Niess; © Peter Sandmann