Tiger Kings: Große Katzen, kleiner Käfig

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Tiger Kings - DELA Magazin

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m Frühjahr 2020, während der ersten Welle der Corona-Pandemie, sperrten sich nahezu alle Menschen in ihren vier Wänden ein und verließen das Haus nur noch, um neues Klopapier zu kaufen. Manche versuchten sich mit Puzzeln zu beschäftigen, andere entdeckten eine Serie auf Netflix über eine Tierart, deren Alltag dem Lockdown-Lifestyle sehr ähnlich ist: Tiger King. Die Dokumentation über einen US-Amerikanischen Egozentriker, der einen Privatzoo für Großkatzen betreibt, wurde zu einem viralen Hit und zu dem Gesprächsthema schlechthin. Doch inmitten der ereignisreichen Handlung rund um Zoobetreiber Joe Exotic, welche von Musikproduktion bis Mordpläne alles umfasste, ist es leicht, die Kernaussage der Serie zu übersehen: Weltweit leben mehr Tiger in Gefangenschaft als in der freien Wildbahn. Menschen jagen, fangen, schmuggeln oder töten sie für Geld, Ruhm oder einfach nur aus Spaß. Doch eine Großkatze gehört nicht in einen Käfig.

Exotisches Gefängnis

Über fünf Jahre hinweg begleiteten mehrere Kamerateams einen Mann, der mindestens genauso exotisch ist wie die Tiere in seinem Privatzoo: Joe Exotic. Heraus kam eine einzigartige Dokumentation, die unglaubliche 19 Millionen Zuschauer anlocken konnte. Zwar ließ das gezeigte Material erahnen, dass die Tiere in ihren Käfigen in Oklahoma ein weniger angenehmes Leben haben als in der freien Wildbahn, jedoch lässt ein Bericht der TZ erahnen, dass die Realität für die Tiere mitunter noch grausamer aussah als es der Streamingdienst zeigte. „Ich habe mit eigenen Augen gesehen, wie er zwei Tiger völlig grundlos erschossen hat, nur weil er sauer auf sie war”, berichtet ein Augenzeuge.

Doch auch ohne Joe Exotic – der wegen Planung eines Mordes nun selbst in einem Käfig sitzt – ging es den Tieren in seinem Zoo nicht besser. Der Bundesstaat Oklahoma stellte bei einer Inspektion des Tierparks gravierende Mängel bezüglich der gesundheitlichen Versorgung und artgerechten Haltung der Tiere fest und stellte seinem Nachfolger Jeffrey Lowe mehrere Mahnungen aus. Nachdem sich der neue Zoo-Direktor laut FAZ widersetzt hatte, einen qualifizierten Tierarzt anzustellen und die allgemeine Lebenssituation der Tiger zu verbessern, beschlagnahmte die US-Justiz nun 68 Großkatzen.

Gefährliche Großkatzen

Wem der Weg in den Tigerzoo zu weit ist, der holt sich die Raubkatzen einfach nach Hause. Boxlegende Mike Tyson ist nicht nur für seine Karriere bekannt, sondern auch dafür, in den 90ern einige Jahre lang mit mehreren Tigern als „Hauskatzen“ gelebt zu haben. Dem Bericht von Sport1 zufolge sieht er mittlerweile ein, dass das ein Fehler war, der unter Umständen auch böse Enden kann: “Wenn man ihn (den Tiger) anschaut und er registriert, dass man sich komisch verhält, wird er dich töten“.

Dass diese Tiere weder für die Gefangenschaft gemacht sind noch von Menschen gehalten werden sollten, zeigen immer wieder Fälle wie das Unglück in einem afrikanischen Raubtierpark. Als dort der elektrische Zaun ausfiel, brach ein sibirischer Tiger aus und griff einen Zoowärter an. Er brach ihm das Rückgrat.

Tag des Tigers

Anfang des 20. Jahrhunderts lebten laut der Tierschutzorganisation WWF noch etwa 100.000 Tiger in der freien Wildbahn. Zum chinesischen Jahr des Tigers in 2010 wurden nur noch 3.200 gezählt. In Gefangenschaft, in Zoos oder im Privatbesitz werden hingegen noch ungefähr 20.000 der Großkatzen gehalten. Der Privatzoo in der Netflix-Dokumentation ist nur einer von vielen unwürdigen Lebensräumen für die Tiere. Der internationale Tag des Tigers am 29. Juli soll auf diese Situation aufmerksam machen, um die Unterstützung und den Schutz der Tiger zu erhöhen. Beim Tigergipfel im russischen St. Petersburg wurde 2010 eine Verdoppelung der Tigerzahl bis zum Jahr 2022 beschlossen. Seitdem steigen die Zahlen in Freiheit lebender Tiger langsam wieder an.

Titelbild: ©kegfire/stock.Adobe.com