Tim Eggers: „Ich bin schon mit dem Dreirad durch das Sarglager gefahren“

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Die Corona-Krise geht auch an Bestattungsunternehmen nicht spurlos vorbei. Beerdigungen sind zwar laut Bundesverband Deutscher Bestatter ausdrücklich vom Kontaktverbot ausgenommen, dennoch gibt es auf Trauerfeiern aktuell erhebliche Einschränkungen. Welche Auswirkungen hat die Pandemie aktuell auf den Arbeitsalltag eines Bestatters? Wir haben den Azubi Tim Eggers von Bestattungen Dabringhaus im Thanatorium gefragt, wie er die Krisensituation erlebt und was ihn dazu bewogen hat, diesem ausgefallenen Berufswunsch „Ausbildung zur Bestattungsfachkraft“ nachzugehen.

Redaktion: Ganz offen gefragt: Wieso entscheidet sich ein 18-Jähriger dazu, Bestattungsfachkraft zu werden?

Tim Eggers: Bei mir war das relativ früh klar, da ich aus einer Bestattungsfamilie komme. Meine Eltern führen ein Bestattungsunternehmen in Grömitz an der Ostsee, in Schleswig-Holstein, wo ich herkomme. Der Dreimannbetrieb befindet sich seit 1886 in fünfter Generation in Familienbesitz.

Eigentlich bin ich damit komplett großgeworden. Schon als kleiner Junge bin ich mit dem Dreirad durch das Sarglager gefahren. Ich habe in jungen Jahren meinem Vater ausgeholfen und dadurch schon früh Kontakt mit dem Tod gehabt. Daraufhin habe ich zwei schulische Praktika in Bestattungsunternehmen absolviert und konnte dadurch meinen Berufswunsch „Ausbildung zur Bestattungsfachkraft“ stärken. Eins davon war hier bei Bestattungen Dabringhaus, da habe ich gut reingepasst und bin somit dort gelandet.

Redaktion: Herr Eggers, Sie stecken mitten in der Ausbildung: Was hat sich durch die Corona-Krise verändert? Welche Anpassungen gibt es für das Tagesgeschäft?

Tim Eggers: Im Betrieb hatten wir aktuell nur noch sehr kleine Trauerfeiern – höchstens fünf Personen waren erlaubt. Ab nächster Woche machen wir im Haus gar keine Trauerfeiern mehr. Natürlich halten wir immer den Sicherheitsabstand ein. Wir benutzen Schutzmasken, wenn wir unterwegs sind – zum Beispiel, wenn wir unter Kollegen dicht an dicht im Auto sitzen. Grundsätzlich ergreifen wir alle Maßnahmen, um das Coronavirus vom Betrieb fernzuhalten und es selbstverständlich auch nicht zu übertragen.

Zum Glück hatten wir bei uns im Betrieb noch keine Corona-Verstobenen. Aber wir behandeln natürlich mit äußerster Vorsicht und Schutzmaßnahmen wie Masken und Handschuhen. Es kann ja sein, dass ein Verstorbener das Coronavirus trägt und wir wissen es nicht. Auch Altenheime betreten wir nur noch in kompletter Schutzmontur und halten den Mindestabstand von zwei Metern ein. Normalerweise wäre ich jetzt für zwei Wochen im Blockunterricht in der Berufsschule in Wermelskirchen gewesen. Wegen Corona fällt auch bei uns die Schule bis zum Ende der Osterferien aus. Wir kriegen unseren Schulstoff jetzt per E-Mail zugeschickt und bearbeiten das von zu Hause aus.

Redaktion: Was lernen Sie in der Ausbildung und was fasziniert Sie am meisten?

Tim Eggers: In meiner schulischen Ausbildung zur Bestattungsfachkraft geht es vor allem erstmal um Theorie: Bestattungsrecht und Materialkunde – das Beschreiben von Särgen und Erkennen von Holzmaterialien. Außerdem wird uns beigebracht, wie man nach europäischer Norm Verstobene versorgt. Im dritten Lehrjahr kommt noch Trauerpsychologie dazu, da bin ich jetzt noch nicht. Zudem lerne ich Trauerhallen aufzubauen, herzurichten und Verstorbene angemessen aufzubahren – es ist wirklich sehr umfangreich. Genau das mag ich an meinem Beruf, dieses Allround-Paket: Jeder Tag ist anders – wenn ich zur Arbeit komme, weiß ich nicht, was mich erwartet. Es kommt durchaus vor, dass ich gerade eine Versorgung mache, plötzlich kommt ein Anruf rein und der Chef und ich machen uns spontan auf den Weg zu einer Überführung nach Hamburg.

Redaktion: Wie würden Sie Ihr Verhältnis zum Sterben und zum Tod beschreiben? Pragmatisch? Oder haben Sie selbst Angst davor?

Tim Eggers: Manche denken ja, wer viel mit dem Tod zu tun hat, stumpft ab. Ich finde das ist nicht so. Durch meine Arbeit habe ich erst den Umgang mit Trauer gelernt und wie ich mich in die Angehörigen hineinversetzen kann. Zum Glück hatte ich noch keinen Sterbefall in meinem näheren Freundes- oder Familienkreis. Aber mein Beruf hat mich im menschlichen Umgang mit dem Tod geschult. Da ich jeden Tag hier arbeite, sehe ich auch einige junge Schicksale, das macht mich schon auch nachdenklich. Deshalb bin ich persönlich für jeden Tag dankbar, den ich erlebe und mit meiner Familie habe.

Redaktion: Vielen Dank für Ihre Zeit und den umfangreichen Einblick in Ihre Ausbildung, Herr Eggers.

Tim Eggers: Sehr gerne, war mir eine Freude.

Titelbild: © Stefan Dabringhaus

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