Mit Köpfchen und “Kleber” gegen Mikroplastik

Kampf gegen Mikroplastik
Dr. Katrin Schuhen, Chemikerin, Kampf gegen Mikroplastik

7Fragen an Dr. Katrin Schuhen 

Chemikerin & Erfinderin & Gründerin von Wasser 3.0

In der Arktis. Im Rhein. In Kläranlagen. Mikroplastik ist überall. Dabei ist Wasser eine unserer wichtigsten Lebensgrundlagen. Wie die Chemikerin Dr. Katrin Schuhen diese Verschmutzung mit einer Art „Kleber“ stoppen will, dazu mehr hier und am 06. Juli live in der DELA-Lounge. Meldet Euch jetzt an!

Redaktion: Mikroplastik – hunderte Jahre auf der Erde?

Dr. Katrin Schuhen: Kosmetika oder Putzmittel – beide haben es in sich. Gedankenlos nutzen wir sie täglich und setzen damit Tag für Tag Mikroplastik frei. 

Es sind Plastikpartikel, kleiner als fünf Millimeter, die ihren Ursprung in Polymeren, Kunststoffen, haben und die Grundlage unzähliger Produkte sind, die wir jeden Tag verwenden: Farben, Lacke, Textilien, Haushaltsreiniger und und und.

Stand heute: Kommunale und industrielle Abwässer – mal mehr mal weniger gereinigt  – sind stark mit Mikroplastik belastet und werden in Oberflächengewässer oder das Meer abgeleitet. Ein weiteres Problem: Unsachgemäß entsorgter Plastikmüll. Dieser zerfällt mit der Zeit in immer kleinere Teile – bevor er sich tatsächlich erst nach mehreren hundert Jahren zersetzt. 

Redaktion: Was uns alle interessiert: Wie gefährlich ist Mikroplastik für mich? Auch ein Thema der DELA-Lounge?

Dr. Katrin Schuhen: Zwar sind langfristige Auswirkungen von Kunststoffpartikeln im menschlichen Organismus noch nicht wissenschaftlich bewiesen beziehungsweise nachgewiesen. Was allerdings bereits herausgefunden wurde ist, dass sich Mikroplastik zwischen den körpereigenen Zellen anlagert und dort Entzündungen auslösen kann, die wiederum chronische Krankheiten wie beispielsweise Krebs oder Leberzirrhose hervorrufen. Ebenfalls kann es zu Störungen in der Zellkommunikation kommen. Wissenschaftlich bestätigt ist auch, dass Mikroplastik als Transportvektor gefährliche und giftige Stoffe, sogenannte Mikroschadstoffe, in die Körper von Tieren und Menschen leiten kann. Sehr gerne können wir dieses wichtige Thema in der DELA-Lounge vertiefen.

Redaktion: Wurde geschlafen? Warum erkennt man die Gefahr erst jetzt? 

Dr. Katrin Schuhen: In der Wissenschaft beschäftigt man sich tatsächlich schon seit mehr als zwei Jahrzehnten mit Mikroplastik. Allerdings ist es ein kompliziertes und komplexes Thema und bringt in Theorie und Praxis viele Herausforderungen mit sich.

Neben technologischen Fragen ist die Detektion, also das Aufspüren der Mikroplastik-Partikel in der Umwelt, die größte Herausforderung. Die aktuellen Verfahren sind aufwendig, kompliziert und teuer. Noch immer fehlt eine Standardisierung bei der Datenerhebung. Das bedeutet, dass wir keine Vergleichbarkeit der bereits vorliegenden Daten haben und vieles, was an vermeintlichem Wissen im Raum steht, Schätzungen sind. Deshalb liegt unser Forschungsschwerpunkt seit mehr als drei Jahren auch im Bereich der Detektion sowie neuer Nachweisverfahren.

Redaktion: Ihr “Kleber” – mehrfach preisgekrönt – fischt Mikroplastik aus unserem Abwasser, bevor er Schaden anrichtet. Worin besteht der Trick? 

Dr. Katrin Schuhen: Wir haben eine Lösung gefunden, die sicher, schnell, kostengünstig und umweltschonend Mikroplastik im Wasser identifiziert und entfernt. Der Trick: Wir nutzen das Prinzip von „verklumpen und abschöpfen“ (clump & skim). Hierzu haben wir eine Art “Kleber” entwickelt, der in der Lage ist, das kleinste, kaum sichtbare Mikroplastikpartikel sich in popcornartige Klumpen binden, die aufschwimmen und einfach abgetrennt werden können. 

In Industrien und Kläranlagen sorgen wir so dafür, dass sozusagen die Schotten dichtgemacht werden und Mikroplastik erst gar nicht in die Umwelt gelangt. Wir führen derzeit auf der Kläranlage des EW Landau in der Pfalz eine Langzeitstudie unseres Verfahrens Wasser 3.0 PE-X® für den Einsatz als vierte Reinigungsstufe plus durch. Unsere ersten industriellen Anwender kommen beispielsweise aus der Papierindustrie, der Kunststoffverarbeitung oder dem Kunststoff-Recycling.

Redaktion: Wir? Die Industrie? Wer trägt Verantwortung? Was kann ich als Verbraucher tun?

Dr. Katrin Schuhen: Selbstverständlich spielt das Konsumverhalten eines jeden Einzelnen – wie bei allen Klima- und Umweltfragen – eine große Rolle. Die großen Hebel sehe ich jedoch in der Industrie, die jeden Tag große Mengen an Polymeren und Kunststoffen einsetzt. Mit unserer Technologie ermöglichen wir, diese Prozesse genau so zu gestalten, dass am Ende kein Mikroplastik in die Umwelt gelangt. Eine riesige Aufgabe – aber nicht unmöglich.  

Was den einzelnen Verbraucher anbetrifft: Ein großes Thema sind die vermeintlich bioabbaubaren Produkte wie spezielle Mülltüten, die im Biomüll landen. Tatsächlich sind sie nicht biologisch abbaubar und belasten über Kompost Böden und im weiteren Verlauf den Wasserkreislauf. Und für alle Autofahrer: Der Reifenabrieb wird ebenfalls mit Mikroplastik in Verbindung gebracht. Hier gilt: Je schwerer das Vehikel, desto mehr Mikroplastikabrieb. Umsteigen aufs Rad lohnt sich deswegen schon doppelt im Hinblick auf Umwelt- und Gesundheitsschutz. Und beim Waschen gilt: Kleidung mit den richtigen Waschprogrammen und korrekten Schleuderzahlen säubern. Das heißt für Funktionskleidung beispielsweise niedrige Temperaturen (30-40°C) und geringe Schleuderzahlen (600-800 U/min).

Redaktion: Mikroplastik und Versicherungsbranche – wie hängt das zusammen? 

Dr. Katrin Schuhen: Mikroplastik ist ein globales Umweltproblem und damit auch zukünftig ein Versicherungsthema, gerade im Hinblick auf Risiken durch Umweltgefahren und mit Blick auf die Gesundheitsgefährdung. Auch hier stellen wir unsere Expertise, Erfahrungen und Konzepte zur Verfügung, um sich bereits frühzeitig dem Thema theoretisch und praktisch widmen zu können. 

Redaktion: Was liegt Ihnen für den DELA-Abend noch am Herzen? 

Dr. Katrin Schuhen: Ich lasse mich überraschen und hoffe auf eine rege Diskussion zum Thema Versicherungen – aber auch im Hinblick auf eine positive Trendwende trotz vieler Hiobsbotschaften. Und natürlich hoffe ich auch, dass wir Motivation vermitteln können, gemeinsam ins Handeln zu kommen. 

Als Geschäftsführerin eines gemeinnützigen GreenTech-Startups, freue ich mich zudem, wenn wir Sponsor:innen und Spender:innen gewinnen, die unsere Mission für Wasser ohne Mikroplastik und Mikroschadstoffe unterstützen. Kurz- oder langfristig. Jeder kann Teil der Lösung werden! 

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