Auf ewig verbunden: Wenn zwischen Tod und Beerdigung Jahre liegen

Asien Verbundenheit
Asian Fishermen on boat fishing at lake, Thailand countryside

Wenn jemand auf der indonesischen Insel Sulawesi stirbt, können Jahre vergehen, bis der Leichnam beigesetzt wird. Auf der Insel in Südostasien wird ein regelrechter Totenkult gefeiert. Verstorbene liegen noch lange Zeit aufgebahrt, zum Teil schon mumifiziert, in den Wohnungen der Familien.

Die Region Tana Toraja auf Sulawesi ist bekannt für ihre Bestattungsriten, die  „aufwendig und gleichermaßen brutalen“ sind. Mit diesen Worten beschreibt ein Reiseführer den zwischen Reisterrassen und wilden Wäldern liegende Teil Sulawesis. Der Totenkult zieht an. Schon seit Jahren strömen Touristen aus aller Welt dorthin, um die aufwendige Zeremonie mit einer Mischung aus Interesse und Abscheu zu beobachten. Wenn die Toraja in Massen Wasserbüffel und Schweine für die Feierlichkeiten herbringen und vor aller Augen schlachten, mag der Anblick auf Außenstehende verstörend wirken. Dahinter verbirgt sich jedoch ein spiritueller Hintergrund: Mit ihrem Blut sollen die Verstorbenen sicher ins Jenseits gelangen.

Beerdigung: Bis zu 100.000 Euro kostet die Feier

Es ist ein für westliche Werte ungewöhnliches Verhältnis zum Tod und zweifelsfrei auch ein ungewöhnlich teures. An die 400 Menschen helfen mit bei den Vorbereitungen, zimmern eigens an die 70 Bambushütten für die angereisten Gäste – und reisen sie direkt nach Ende der Feier wieder ab. So etwas geht ins Geld: Wohlhabende Familien geben einen sechsstelligen Betrag für eine Beerdigung aus. Das sind umgerechnet rund 1.700.200.000 indonesische Rupien. Das Volk der Toraja misst den Toten eine große Bedeutung bei. Familien inszenieren pompöse Feiern, um sich mit Nachbarn, Freunden und Gästen von ihren Verstorbenen zu verabschieden.

Tana Toraja
Zwischen Juli und September ist Beerdigungssaison in Tana Toraja. Während der Zeremonie werden die Wasserbüffel zum Schlachten vorbereitet.

Je größer die Feier, desto angesehener war der Tote. Dirapai nennen die Toraja eine Beerdigungen dieser Größenordnung, die beim Adel, der höchsten der drei gesellschaftlichen Klassen, üblich ist. Je niedriger der Stand, desto kleiner die Feier. Einfacher Leichenschmaus kommt allerdings auch für ärmere Familien nicht in Frage. Kein Wunder, dass Tote jahrelang aufgebahrt liegen bleiben. Die Familien müssen erst für die Zeremonie sparen.

Trotz niederländischer Kolonialisierung und christlicher Missionierung Indonesiens konnte der Volksstamm im Hochland Sulawesis seine Traditionen weitgehend erhalten. Noch heute leben viele Menschen auf traditionelle Weise in den für die Region typischen Holzhäusern mit den sattelförmigen Dächern. Sie bauen Reis an und setzen Verstorbene in Felsgräbern bei. Die Nischen sind ebenso prachtvoll geschmückt und mit den Abbildern der Toten verkleidet. Hochzeit für die Beerdigungen sind die Monate zwischen Juli bis September. Dann wird in fast jedem zweiten Dorf auf dem Festplatz gefeiert.

Ritual der Toraja: Tote gelten nur als „krank“

Jahrelang auf die Beisetzung zu warten ist für das Volk der Toraja nicht befremdlich. Ihrer Vorstellung nach sind Tote nur krank und erst nach der Beerdigung tatsächlich tot. Und auch diese gilt nur als Übergang ins nächste Leben. Die lange Zeit, die Verstorbene noch im Haus der Familie aufbewahrt werden, soll den Angehörigen die Zeit geben, sich langsam zu verabschieden. Und irgendwann gänzlich loslassen zu können.

Tana Toraja
In einer Höhle in Tana Toraja stehen Figuren zu Ehren der Toten, die hier beerdigt wurden.

Die großzügigen Opfergaben der Nachbarn sind aber keinesfalls altruistisch. Für jedes getötete Tier müssen Angehörige Steuern zahlen. Und stirbt jemand anderes, muss sich die Familie im gleichen Maße an den Kosten beteiligen. Ein Tauschhandel mit dem Tod.

Nach der Beisetzung: Alle Jahre werden die Toten gereinigt

Doch ganz ruhen dürfen die Toten auch nach ihrer Beerdigung nicht: Es folgt sozusagen eine regelmäßige Exhumierung, wenn es Zeit für „Man’nene“ ist, die Reinigung der Leichen. Frisch eingekleidet, verbringt die Familie mit den sterblichen Überresten ein paar gemeinsame Stunden, spricht mit ihnen, behält auf diese Weise den Kontakt zu den Toten. Für den Volksstamm gilt dieses Ritual als Zeichen der Nächstenliebe, um Verstorbene als einen Teil der Gemeinschaft zu erhalten. Schon Kinder lernen den Umgang mit dem Tod und mit den Toten. Bilder zeigen, die Kinder den Staub von der Nase des toten Vaters streichen, Witwen auch Jahre nach dem Tod die Hand des Ehemanns berühren. Je besser der Corpus erhalten ist, desto mehr Glück und Wohlstand soll es den Hinterbliebenen bringen. Manche Familien spritzen zu diesem Zweck den Verstorbenen gleich nach dem Tod das Konservierungsmittel Formalin.

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