Jeder Bissen ein Risiko?: Im Gespräch mit Prof. Dr. med. Peter Sefrin

Prof. Dr. med. Peter Sefrin

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iscreme als Abkühlung an heißen Tagen, Salate auf Grillfeiern oder mediterrane Speisen wie Fisch sind kulinarische Klassiker der Sommermonate. Sie vermitteln ein Gefühl von Urlaub, egal wo die Ferientage verbracht werden. Doch Achtung: In und auf einigen Lebensmitteln lauern unerwartete Risiken. Im Gespräch mit Prof. Dr. med. Peter Sefrin verrät der Bundesarzt des Deutschen Roten Kreuz, worauf es zu achten gilt.

Redaktion: Herr Professor Sefrin, wann im Jahr treten die häufigsten Unfälle auf? Betreffend welcher Vorfälle gehen Notrufen ein?

Prof. Dr. med. Peter Sefrin: Es gibt keinen besonderen Schwerpunkt. Die Einsatzzahlen sind gleichmäßig über das Jahr verteilt, allerdings sind die Notfälle je nach Jahreszeit unterschiedlich gelagert. Im Winter verursachen beispielsweise Schnee und Glatteis die häufigsten Unfälle, wie zum Beispiel Stürze. Verkehrsunfälle besonders mit Motorradfahrern treten hingegen vermehrt im Sommer auf.

Redaktion: Und wie sieht es mit Sommer-Notrufen hinsichtlich Lebensmittelvergiftungen aus? Häufen sich diese in den Sommermonaten?

Prof. Dr. med. Peter Sefrin: Tatsächlich gibt es im Sommer gewisse „Hotspots“, beispielsweise durch Salmonellen. Die Wahrscheinlichkeit sich an einem Kartoffelsalat zu vergiften, der ungekühlt gelagert oder zu lange in der Sonne stand, ist durch die Temperaturen begünstigt. Denn: Oft werden Lebensmittel falsch gekühlt oder falsch gelagert. Doch auch im Herbst treten spezielle Vergiftungen auf. Hier führen Pilze zu teilweise lebensgefährlichen Vergiftungen.

Redaktion: Sowohl Speiseeis als auch Fisch sind zwei sehr beliebte Lebensmittel im Sommer. Wo liegen hier die Risiken?

Prof. Dr. med. Peter Sefrin: Bei Speiseeis sind es die Salmonellen wie beim Kartoffelsalat. Bei Fisch sind es Giftstoffe, die zum Teil durch falsche Lagerung entstehen. Durch eine verunreinigte Speise können außerdem gleich mehrere erkranken. Generell kann man jedoch nicht sagen, dass der Sommer flächendeckend durch Salmonellen gefährdet ist.

Redaktion: Was raten Sie dem Verbraucher generell, um Risiken bei Lebensmitteln zu umgehen?

Prof. Dr. med. Peter Sefrin: Das größte Risiko ist die lange, nicht fachgerechte Lagerung. Wird eine Speise mit nicht sauberen Händen zubereitet und nicht gleich verzehrt, kann eine falsche Aufbewahrung zu Unpässlichkeiten führen. Bei Tiefgefrorenem sollte die Kühlkette nicht längere Zeit unterbrochen werden. Kurzfristige Symptome wie Übelkeit, Erbrechen und Durchfall sind die Folge.

Eine schwerwiegendere Vergiftung äußert sich durch Fieber, Krämpfe und zusätzliche Kreislaufproblemen.

Dies kann bis hin zur Entwicklung eines Schocks sehr gefährlich werden.

Redaktion: Auch Wespen und Bienen sind nicht ungefährlich, wenn man nicht auf jeden Bissen achtet und das Tier verschluckt. Wie gilt es hier zu reagieren?

Prof. Dr. med. Peter Sefrin: In der Regel kommt es zu keinem Verschlucken. Meistens sind es Wespen, die sich in einem Glas oder einer dunklen Flasche mit undurchsichtiger Flüssigkeit befinden. Sobald der Trinkende spürt, dass sich im Getränk etwas festes befindet, erfolgt bereits der Stich. In vielen Fällen wird der oder die Betroffene das Tier wieder ausspucken.

Da die Schleimhaut im Mundraum sehr locker ist, kann es nach einem solchen Stich relativ schnell zu einer erheblichen Schwellung kommen, die die Atemwege einengt. Hier ist es entscheidend umgehend entgegenzuwirken. Die Stelle muss gekühlt werden.

Die Empfehlung der Ersten Hilfe lautet daher, sofort Eis in den Mund zu nehmen. Und eventuell auch äußerlich durch eine Kühlung zu unterstützen. Eine lebensgefährliche Situation entsteht, wenn eine Wespen- oder Bienenallergie besteht. Hier muss sofort der Notarzt zu einer sofortigen, medikamentösen Therapie gerufen werden. Die Gefahr: Im Rachenraum treten erhebliche Schwellungen auf, woraufhin der oder die Betroffene keine Luft mehr bekommt. Auch hier muss der Schwellung bis zum Eintreffen des Notarztes mit einer entsprechenden Kühlung begegnet werden.

Redaktion: Sie haben als Arzt und durch Ihre Arbeit mit dem BRK einiges an Erfahrung gesammelt. Gab es in den letzten 60 Jahren eine Verschiebung, was die Risiken oder den Grund der Sommereinsätze betrifft?

Prof. Dr. med. Peter Sefrin: Ja, in früheren Zeiten hatten wir wesentlich mehr Verkehrsunfälle. Diese waren in früheren Zeiten der Hauptgrund, dass der Rettungsdienst gerufen wurde. Heute sind diese durch erhöhte Verkehrssicherheit zurückgegangen – zu Lasten der akuten Erkrankungen. Diese betreffen Bundesweit nur noch zwölf Prozent. Akute Erkrankungen sind dagegen um teils 50 – 60 Prozent gestiegen. Viele dieser Notrufe sind im Sommer der Hitze geschuldet. 35 Grad im Sommer gab es damals wesentlich seltener. Die Temperaturen waren deutlich niedriger. Daher ist die Wahrscheinlichkeit heute viel höher, dass es durch hohe Temperaturen zu akuten Hitze-Notfällen kommt.

Titelbild: © Prof. Dr. med. Peter Sefrin

Über unseren Experten

Prof. Dr. med. Peter Sefrin

Der Anästhesist Prof. Dr. med. Peter Sefrin ist seit 2009 Bundesarzt beim Deutschen Roten Kreuz. Sefrin ist seit 1961 ehrenamtlich beim BRK tätig. Anfangs während des Medizinstudiums in der Jugendarbeit und dann bevorzugt im Bereich des Rettungsdienstes. Im wissenschaftlichen Bereich war er unter anderem Präsident der Deutschen Gesellschaft für Katastrophenmedizin. Bis zu seine Emeritierung leitete er die Sektion für präklinische Notfallmedizin der Universität Würzburg. Er ist Herausgeber des Buches Notfalltherapie und seit 1984 Schriftleiter der Zeitschrift „Der Notarzt – Notfallmedizinische Informationen“. Die Arbeit des Roten Kreuzes ist ihm seit langem als Landesarzt des BRK bekannt, wobei sein Hauptaugenmerk auf der Ausbildung und Qualifikation liegt.