Bei lauer Luft dem rötlichen Sonnenuntergang entgegengleitend, um sich herum das majestätische Bergpanorama und zu Füßen: Felder wie ein Schachbrettmuster. Eindrücke, die Gleitschirmflieger bei jedem Flug erleben. Kein Wunder also, dass laut Statistik des Deutschen Gleitschirm- und Drachenflugverband e.V. (DHV) die Beliebtheit des Gleitschirmfliegens steigt. Betrugen die Mitgliederzahlen im Jahr 1997 knapp 20.000 Mitglieder, waren es im Jahr 2018 bereits 36.000. Doch wer hoch fliegt, kann auch tief fallen. Die Unfallstatistiken bleiben im Verhältnis moderat, lagen aber dennoch bei über 200 im Jahr 2018. Mehr als 100 Unfälle mit schweren Verletzungen. Wir sprachen mit Marion Wohlhaupter. Sie ist selbst Gleitschirmpilotin und erzählt, was die Faszination Paragliding ausmacht.
Redaktion: Marion, bunte Paragliding-Fallschirme hat wohl jeder, der einmal in den Bergen war, schon am Himmel gesehen. Wann entstand bei Dir die Idee, den Sport selbst auszuprobieren?
Marion Wohlhaupter: Als Kind bin ich viel mit meiner Familie in den Bergen unterwegs gewesen und habe dort immer Drachen- und Gleitschirmflieger bewundert. Ich wollte schon als kleines Kind unbedingt Gleitschirmfliegen. Mein Vater hat mir damals versprochen, mit mir einen Kurs zu machen, wenn ich 16 Jahre alt bin. Letztendlich habe ich es dann mit 23 begonnen.
Redaktion: Kann denn jeder fliegen? Wie sieht hier die Ausbildung aus?
Marion Wohlhaupter: Grundsätzlich kann jeder fliegen lernen. Zunächst übt man das Handling des Schirms auf einer Wiese und am Hang, bevor man dann vom Berg fliegt. Während des Flugs trägt man ein Funkgerät, das mit einem Lehrer oder einer Lehrerin am Start- und am Landeplatz verbunden ist. Darüber erhält man Anweisungen und Tipps.
„Es gibt Gleitschirmflieger, die man als „Genussflieger“ bezeichnen kann. Diese Personen fliegen nur, wenn ideale Bedingungen herrschen. Sie riskieren dabei quasi nichts.“
Dann gibt es Streckenflieger: sie versuchen, möglichst weite Wege mit ihrem Schirm zurückzulegen. Außerdem: Acroflieger. Sie können mit ihrem Schirm beispielsweise Saltos in der Luft schlagen und vieles mehr. Zu guter Letzt gibt es noch Wettkampfflieger: hochambitionierte Flieger und Fliegerinnen, die im Wettkampf gegeneinander bestimmte Wegpunkte abfliegen.
Redaktion: Und welche mentalen und körperlichen Voraussetzungen sind für den Sport notwendig?
Marion Wohlhaupter: Geduld, Selbstbeherrschung, Gewissenhaftigkeit. Ich denke eine bestimmte körperliche Fitness ist außerdem praktisch.
Redaktion: Nehmen wir an, jemand erfüllt diese Voraussetzungen. Wie viel Geld muss er oder sie für den Sport einplanen?
Marion Wohlhaupter: Es ist zugegeben kein günstiges Hobby. Wer kein „Hike and Flight“ Pilot ist – also jemand, der jeden Berg erklimmt, von dem er dann startet – muss Bahnkosten einkalkulieren. Die durchschnittlich 15 Euro je Fahrt summieren sich schnell. Zudem muss die Ausrüstung in Stand gehalten werde. Es gibt hier allerdings auch einen guten Gebrauchtmarkt für Gurt, Schirm und Retter (Notfallschirm). Günstige Gurte starten bereits bei 850 Euro. Für einen entsprechenden Schirm muss man gut und gerne 2.500 Euro in die Hand nehmen. Nach oben hin liegt die Grenze bei etwa 5.000 – 6.000 Euro. Das sind allerdings meist Wettkampfschirme. Wer die Ausrüstung nicht kaufen möchte, kann diese auch bei Flugschulen leihen.
Redaktion: Nun gibt es doch immer wieder Unfälle. Was macht Paragliding Deiner Meinung nach zu einem riskanten Hobby? Hattest Du persönlich schon einen Unfall?
Marion Wohlhaupter: Der Gleitschirmsport muss kein riskantes Hobby sein. Man kann durchaus so fliegen, dass man gefahrlos durch die Jahre geht. Je risikobereiter geflogen wird, desto schneller und öfter kann natürlich auch etwas passieren. Ich hatte bisher zwei Unfälle. Beim ersten Unfall hat mich eine starke Thermik überrascht und ich habe danach wohl falsch reagiert. Der zweite Unfall ereignete sich beim Soaren am Hang. Da bin ich zu nah am Hang geflogen. Eine Windböe hat mich dabei in einen Steilhang geblasen, aus dem ich nicht mehr herausfliegen konnte. Glücklicherweise sind beide Unfälle noch recht glimpflich ausgegangen.
Redaktion: Was macht die Faszination des Sports aus, dass Du sich dennoch wieder in die Lüfte stützt?
Marion Wohlhaupter: Ich denke man muss selbst einmal in der Luft gewesen sein, um das Gefühl zu empfinden, das man hat, wenn man bei Sonnenuntergang und warmer Luft im Herbst über Laubwälder fliegt und alles in rotes, warmes Licht getaucht ist…
Titelbild: ©Marion Wohlhaupter
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