Der Trend zur Individualisierung in der Gesellschaft spiegelt sich auch in der Bestattungskultur wider. Die Bekleidung, in der Menschen sich zur letzten Ruhe betten, passt sich deren Lebensstil an. Um dabei die Würde des Verstorbenen zu wahren, ist bei Bestattern Empathie gefragt.
Für Beerdigungsgäste gehört die Farbe Schwarz zum guten Ton und wird in der Regel auch erwartet, um dem Verstorbenen und der Trauer den notwendigen Respekt zu erweisen. Das bedeutet: keine tiefen Dekolletés und kurze Röcke für Frauen und auch mit Glitzer, Pailletten sowie Nieten sollten Gäste sparen – sofern der Verstorbene sich nicht ausdrücklich eine solche Kleiderordnung gewünscht hat. Elke Herrnberger, Pressesprecherin des Bundesverbands Deutscher Bestatter, kennt die Vorlieben ihrer Kunden gut und sagt: „Viele Verstorbene klären den Vorgang der Beerdigung vorab sehr explizit, bis hin zur Kleidung, in der sie bestattet werden möchten.“
Die Bekleidung reicht von Anzug bis zum Jogginganzug
Das kann der beste Anzug sein, aber auch der Lieblingsjogginganzug oder das Trikot des Sportvereins. „Die Wünsche des Toten stehen im Vordergrund“, sagt Herrnberger. Eine Einschränkung gibt es jedoch, die für Nudisten eine Rolle spielen könnte: Nackt beerdigt zu werden, ist nicht möglich. Ebenso gilt eine Sargpflicht in Deutschland. Aus Umweltschutzgründen weisen Bestatter zudem vorab darauf hin, möglichst Naturmaterialien zu verwenden – Schuhe könnten aufgrund der Schadstoffbelastung ein Problem darstellen. Bei Kindern hielten sich Bestatter jedoch zurück. „Da lassen wir die Kirche im Dorf“. Das liebste Kuscheltier oder das Fotoalbum dürften selbstverständlich im Sarg liegen.
Der letzte Wunsch: Opa in seinem Lieblingsschlafanzug
Wer den Verstorbenen aber nicht in seiner Kleidung beisetzen möchte, kann aus dem Sortiment des Bestatters auswählen. Das reicht von der Unterwäsche bis hin zur Mütze. Vielen Menschen aber sei die Kleidung des geliebten Menschen sehr wichtig und auch ein Weg, um Abschied zu nehmen. Angehörige hätten deshalb die Möglichkeit, bei der Einkleidung des Verstorbenen zu helfen, sagt Herrnberger. „Der Bestatter reinigt die Kleidung und gemeinsam kleiden sie den Toten an.“ Eine angemessene Bekleidung würdige nicht nur das Ansehen des Verstorbenen, verdeutlicht die Pressesprecherin, sondern sei auch für die Angehörigen wichtig, die sich am offenen Sarg verabschieden möchten. Das letzte Bild, das sie von einem geliebten Menschen haben, solle entsprechend respektvoll sein.
Die Kleidung ist wichtiger Teil der Trauerbewältigung
Aber auch über die Beisetzung hinaus nimmt die Kleidung eine wichtige Rolle in der Trauerbewältigung ein. „Textile Trauerarbeit“ nennt Elke Herrnberger den Weg, um von geliebten Menschen Abschied zu nehmen. „Beispielsweise können Angehörige aus dem Schlafanzug der Oma ein Kuscheltier für den Enkel basteln.“
Der persönliche Abschied von einem Verstorbenen ist für Angehörige ein bewegendes Ereignis. In Zeiten des Kontaktverbots, als Beerdigungen entweder im kleinsten Kreis oder per Livestream übertragen wurden, war ein herber Einschnitt für die Angehörigen, schildert Elke Herrnberger. Das persönliche Gespräch habe vielen gefehlt.
Der persönliche Abschied hilft Angehörigen
Ein Beispiel aus dem vergangenen Jahr ist Claudia Dornhoff. Im Spiegel beschrieb sie, wie sie trotz Kontaktverbot und Mindestabstand die Beisetzung organisiert hatte. „Gar keine oder nur eine sehr kleine Trauerfeier mit wenigen Menschen für sie abzuhalten, wäre eine emotionale Katastrophe für mich gewesen. Ich hätte gar nicht gewusst, wohin ich mit meinem Frust und meiner Trauer soll.“ Die Feier fand schließlich im Freien mit rund 60 Gästen statt und konnte mit Hygienemaßnahmen dennoch durchgeführt werden. Etappenweise nahmen die Gäste Abschied von der Verstorbenen am Sarg und Körperkontakt wie Umarmungen entfiel.
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